Rätselhaft, unheimlich, visionär: Hideo Kojima hat es geschafft, diese drei Eigenschaften in einem Spiel maximal auszureizen. Die Rede ist natürlich von Death Stranding P.T.
Mit P.T. (Playable Teaser) erschien 2014 ein Horrorspiel von Konami im PlayStation 4 Store. Wie sich bald darauf herausstellte, handelt es sich bei dem relativ kurzen Spiel um einen Teaser für ein damals geplantes neues Silent Hill, das in einem freischaltbaren Trailer als Silent Hills unter Leitung von Metal Gear Schöpfer Hideo Kojima angekündigt wurde. Nicht mal ein Jahr später wurde Silent Hills abgesagt, P.T. aus dem PlayStation Store entfernt und bisherigen Besitzern die Möglichkeit verwehrt, das Spiel erneut herunterzuladen.
Seitdem war das Thema P.T. bei mir eigentlich abgehakt. Ich habe es damals verpasst, mir das Spiel herunterzuladen, kannte niemanden aus meinem Umfeld, der es hatte, und meine Motivation, mich auf die Suche nach überteuerten PlayStation 4 Konsolen mit installiertem P.T. zu machen, hielt sich auch stark in Grenzen. Bis eines Tages eine Freundin einfach mal so ihre PlayStation 4 Pro vorbeibrachte, auf der genau dieser Titel installiert ist, und sich mir die einzigartige Chance bot, mal in den bisher letzten Rest der Silent Hill Reihe zu schauen. Es fing schon mal mit der gruseligen Begegnung einer PlayStation 4 Pro mit meinem HD Ready Fernseher von 2006 an, der uns einige Bildstörungen und Ausfälle bescherte. Nachdem diese in den Einstellungen behoben werden konnten, ging es endlich los.
P.T. startet damit, dass die nicht weiter definierte Hauptperson, die fortan in Egoperspektive gesteuert wird, in einem kalten Kellerraum aufwacht. Eine Tür führt in den Bereich, in dem das ganze Spiel stattfindet: Ein Korridor, der um die Ecke abbiegt, in einer Treppe nach unten mündet und wieder in seinen eigenen Anfang übergeht. Daneben gibt es noch ein Bad, das ab und zu begehbar ist und ein Baby beherbergt, das direkt aus David Lynchs Film Eraserhead stammen könnte.
Gefangen in einer fortwährenden Schleife gilt es, die richtigen Aktionen auszuführen, um die nächste Iteration zu starten, und damit eine weitere Version des Korridors zu erreichen, die meist noch unheimlicher ist, als die vorherige. Anfangs reicht es noch, ein bisschen die Umgebung abzusuchen oder etwas zu warten. Mit fortschreitendem Spielverlauf werden die zum Weiterkommen notwendigen Hebel allerdings immer obskurer. Ohne fremde Hilfe ist P.T. schlichtweg unlösbar.
Natürlich seid ihr bei dem Unterfangen nicht allein. Ein Geist namens Lisa taucht gerne ab und zu auf, und das nicht immer nur, um euch zu erschrecken. Sie kann auch Besitz von euch ergreifen und zu einem späteren Zeitpunkt umbringen. Am liebsten genau dann, wenn man gerade auf die blöde Idee kommt, sich mal spontan umzudrehen.
Allerdings war Lisa während des ganzen Abends, den ich mit P.T. verbracht habe, erstaunlich schüchtern. Sie hat mich nie angegriffen, egal, wie oft ich hin und her gelaufen bin oder mich umgesehen habe. Selbst, wenn wir sie regelrecht provoziert haben, wollte sie mich einfach nicht töten. Nur ein einziges Mal habe ich es doch geschafft, die Game Over Szene zu sehen. Auch wenn ihr Auftauchen sonst sehr gruselig ist, hat es der Sache schon etwas den Biss genommen, dass sie mir meistens nichts anhaben wollte. Scheinbar ist es eigentlich normal, Lisa öfter zum Opfer fallen, aber sie hatte an dem Tag wohl einfach keine Lust.
Nachdem wir einsehen mussten, dass Lisa nicht mehr mit uns spielen wollte, lösten wir endlich die Endsequenz aus, mit einer denkbar bizarren Abfolge von Aktionen: In der finalen Version des Korridors muss erst ein bisschen Zeit abgewartet werden, bis die Mitternachtsstunde schlägt. Anschließend muss man genau zehn Schritte am Stück gehen, woraufhin ein Baby lacht. Dann muss der Name “Jack” in ein angeschlossenes Headset (!) gesprochen werden. Daraufhin fängt der Controller an zu vibrieren. Danach klingelt ein Telefon, und sobald man ran geht, startet der Silent Hills Teaser. Hatte ich schon erwähnt, dass die Rätsel in P.T. wirklich obskur sind?
Damals arbeitete die gesamte Community daran, P.T. zu lösen, und die kryptischen Hinweise zu entschlüsseln, die das Spiel parat hält, wie etwa die zahlreichen versteckten Fotoschnipsel. Einige Nachrichten werden dagegen einfach zufällig angezeigt. Darunter auch eine unverständliche Audiobotschaft, die anscheinend aufgenommen und rückwärts abgespielt einen weiteren Hinweis offenbart (???).
Am Ende ist P.T. leider doch nicht mehr gewesen als eine kryptische Online-Schnitzeljagd zur Veröffentlichung eines Trailers. Entsprechend kann ich es eigentlich nicht wirklich als Spiel bewerten. Dabei würde P.T. nach klassischen Maßstäben durchfallen, da es im Grunde nicht mehr als eine gelungene Atmosphäre bietet.
Abgesehen von einem Rätsel, bei dem ähnlich wie in der Hotelanlage in Silent Hill: Origins durch Löcher in der Wand gespäht werden muss, fühlt sich P.T. nicht unbedingt nach Silent Hill an, was natürlich auch Absicht war. Nur beim Abspann, in dem ein digitaler Norman Reedus durch die Straßen eines Silent Hills schlurft, aus dem niemals Realität werden sollte, wurde mir schon etwas anders. Das ließ mich mit wehmütigen Überlegungen darüber zurück, wie ein neues Silent Hill für die PlayStation 4 vielleicht geworden wäre.
Immerhin sind nicht alle Ideen aus P.T. komplett aus der Welt verschwunden. Mir war das Prinzip bereits bekannt, da ich vorher Layers of Fear durchgespielt hatte, das stark von P.T. inspiriert ist. Statt einem Korridor wird dort ein ganzes Haus erkundet, die Hintergrundgeschichte wird ebenfalls über gesprochene Passagen erläutert, und einem rachsüchtigen Geist muss auch ausgewichen werden. Wer also wissen möchte, wie sich P.T. spielt und nicht seine Seele für eine überteuerte PlayStation 4 verkaufen möchte, kann ruhig zu Layers of Fear greifen. Es ist eigentlich P.T., nur als vollwertiges Spiel, das auch ohne hellseherische Fähigkeiten lösbar ist.
Bekanntermaßen wurde Norman Reedus anschließend in Death Stranding gesteckt, woran auch Guillermo del Toro mitgearbeitet hat, der ursprünglich Teil von Silent Hills sein sollte. Die Horrorelemente von Death Stranding haben ihren Ursprung vermutlich ebenfalls in P.T. An einer Wand dort habe ich sogar einen der schwarzen Handabdrücke entdeckt, die so typisch für Death Stranding sind. Selbst der Gedanke, eine Online-Community gemeinsam eine Aufgabe lösen zu lassen, hat sich in den asynchronen Multiplayer-Elementen von Death Stranding erneut verfestigt.
Indes reißen Gerüchte nicht ab, dass doch irgendwo heimlich an einem Silent Hill Reboot gearbeitet wird. Wer weiß, vielleicht tauchen in Zukunft ja noch weitere Elemente aus P.T. wieder ans Tageslicht? Ich würde mich natürlich über einen erneuten Besuch in meiner liebsten nebeligen verfluchten Stadt freuen.
Den Christian aka binaryscroll findet ihr übrigens auch hier und hier.
1 Kommentar
Interessant in dem Zusammenhang fand ich noch, dass ein Kamerahack gezeigt hat, dass das ganze Spiel über ein Geist direkt hinter dir schwebt, den man sonst nicht sehen kann, damit er die beizeiten ins Ohr flüstern kann (oder so – ich habe es selbst nicht gespielt). Creepy!