Ich habe in den letzten Tagen einige Reviews zu Serious Sam 4 gelesen und muss sagen, sie haben alle Recht! – Es ist schon eine regelrechte Frechheit von Croteam, auch nach fast 20 Jahren immer noch an den Alleinstellungsmerkmalen ihrer FPS-Serie festzuhalten. Warum ändern sie nicht mal irgendwas? Zum Beispiel den blöden Humor. Oder die Gegnermassen, gegen die man lästigerweise immer kämpfen muss. Warum kann Serious Sam nicht einfach mehr wie, sagen wir mal, DOOM Eternal sein? Oder Call of Duty? Oder HALO? …Wait, what?!
Oder warum geht ihr, liebe „Spielejournalisten“, nicht einfach lieber Schuhe verkaufen? Oder Versicherungen? Auf jeden Fall irgendwas ohne Videospiele. Oder „Journalismus“.
Die Serious Sam-Reihe ist ganz sicher nicht jedermanns Ding. Muss sie ja auch nicht sein. Auf jeden Fall ist sie aber etwas ganz Besonderes. Heute noch mehr als zu Beginn des Jahrtausends, als es immerhin noch ein paar ähnlich gelagerte Konkurrenten gab (z.B. Pain Killer oder Will Rock). Serious Sam bedient ganz klar eine Nische: Doofe Witze und ballern bis der Arzt kommt. Wenn man das nicht mag, ist das schon in Ordnung. Kann man ruhig offen sagen. Aber seitenlang daran herumzunörgeln und immer wieder zu fragen, warum Serious Sam denn nicht so sein kann, wie andere moderne Shooter, ist… dumm? Inkompetent? Ignorant?
Als erstes muss man mal verstehen, warum Serious Sam überhaupt seit 2001 eine Kult-Reihe mit so vielen Fans ist. Die doofen Oneliner, schlechten Witze und haarsträubenden Geschichten sind deshalb so geil, weil sie eine Parodie auf all die Großmaul-Shooter der zweiten Hälfte der 90er-Jahre sind: Duke Nukem 3D, Shadow Warrior, Rise Of The Triads, Redneck Rampage, SIN, Kingpin, etc. pp. Und die stumpfe, aber höchst effektive Spielmechanik ist das Kondensat der aufregendsten Adrenalin-Momente aller 90er-FPS-Klassiker, nur nochmal mit dem Faktor 10 multipliziert und dadurch ins Aberwitzige gesteigert. Vom Spaß, den das Ganze macht, wenn man es im Koop mit drei Freunden spielt, will ich gar nicht erst anfangen…
Wie gesagt, das muss man selbst nicht mögen, aber man sollte es wenigstens verstehen und einräumen können, dass die Fans es lieben werden. Erst recht als sogenannter Profi, als „Spielejournalist“. – Was übrigens dabei herauskommt, wenn das Croteam doch mal von der bewährten Formel abweicht und ein wenig von dem aufnimmt, was die anderen zeitgenössischen FPS so machen, konnte man sich 2011 bei Serious Sam 3 BFE anschauen: Mist.
Die gute Nachricht für die Serious-Fans: Serious Sam 4 ist nach dem schwachen dritten Teil wieder ganz der Alte! Tonnenweise doofe Oneliner und Witze über doofe Oneliner und Witze. Dazu eine Story, die so bekloppt ist, dass man einfach die ganze Zeit grinsen muss, weil kein anderes Studio so einen Quatsch ernsthaft als Story für ein Videospiel verwenden würde. – Ja, den letzten Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen… – Und natürlich Gegner, Gegner, Gegner und Waffen, Waffen, Waffen!
Nur die Nummer mit den Secrets und Easter Eggs haben sie in Zagreb noch nicht wieder richtig in den Griff bekommen. Hier handelt es sich wie im dritten Teil immer noch um so langweilige Sachen wie ein wenig Munition auf einem schwer zu erreichenden Häuserdach. Kein Vergleich zu den Geheimräumen und versteckten Gags früherer Teile. Am besten hat mir das noch in Serious Sam 2 gefallen, das richtig vollgestopft war mit solchem Kram.
Grafisch ist das Spiel ein Mixed Bag: Irgendwie wirkt es manchmal, als hätte man nur die alte Serious Engine von 2001 auf aktueller Hardware hochskaliert. Will heißen: Alles wirkt insgesamt total schick, hochauflösend und flüssig, aber teilweise wirken die Charakteranimationen auffallend hölzern. Auch fallen kleine Grafik-Glitches auf, wie z.B. wild wuselnde Schatten. Und bis auf wenige Ausnahmen ist die Umgebung, im Gegensatz zu früher, komplett unzerstörbar, was gerade bei Objekten wie z.B. Bäumen irgendwie komisch wirkt, wenn man sie mit einem Raketenwerfer beschießt. Da war Serious Sam 2 2005 schon einen Schritt weiter…
Das ist für das Spiel alles nicht wichtig, aber trotzdem ein wenig schade, wenn man bedenkt, dass die Serious Engines V1 und V2 zu ihrer Zeit absolut State of the Art waren. Da hat man beim Croteam im Laufe der Jahre wohl ein wenig den Anschluss verloren. Aber wie gesagt: Immer noch alles schick und, das ist bei solch einem Gegnermassen-Shooter am wichtigsten, flüssig.
Neu für die Serie ist, dass man in Serious Sam 4 auch Nebenmissionen findet. Das sind kleine optionale Abzweige vom Hauptweg, in denen man irgendwelchen Leuten bei ihren (nichtigen) Problemen hilft. Als Belohnungen winken hier zusätzliche Gadgets, wie z.B. ein portables Schwarzes Loch, ein Holodecoy oder eine Mini-Nuke. Manchmal bekommt man auch eine fette Waffe, die man sonst erst ein paar Level später bekommen hätte. Neben den Gadgets gibt es auch ein paar neue Waffen und Gegner, aber die überwiegende Mehrheit kennt man in der einen oder anderen Form schon aus den Vorgängern. Am besten hat mir persönlich der neue Motorsägen-Launcher gefallen, der, ähm, ja nun, Motorsägen verschießt, die sich selbstständig durch die Gegner sägen. Sehr absurd, aber auch sehr effektiv.
Das Leveldesign bietet die bewährte Mischung aus ganz großen, weiten Arealen, mittelgroßen Arenen und engeren Gewölben und Straßenzügen. Ein paar Abschnitte gegen Ende sind sogar richtig offen, ohne dass der Weg direkt vorgegeben ist. Seit Serious Sam 2 steigt Sam Stone ja auch gerne mal in diverse Vehikel ein und da macht der vierte Teil auch keine Ausnahme: Neben coolen Riesen-Mech-Abschnitten fährt man auch mal mit dem Motorrad oder einem Mähdrescher durch die Gegend.
Die einzige Mehrspieleroption, die Serious Sam 4 anbietet, ist auch die einzige, die der Serious-Fan haben will: Vier-Spieler-Koop. Hier spielt man gemeinsam die normale Kampagne, wobei das Spiel entsprechend der Spieleranzahl die Gegner heraufskaliert. Und das macht immer noch so viel Spaß wie früher!
Ich glaube zwar nicht, dass die mittelmäßigen bis schlechten Reviews die Fans ernsthaft davon abhalten werden, Serious Sam 4 zu spielen. Nicht einmal nach der Enttäuschung des dritten Teils. Aber potenzielle neue (und vielleicht jüngere) Fans werden durch die teils haarsträubenden Reviews vermutlich erfolgreich davon abgehalten, mal in diese spezielle FPS-Nische hereinzuschnuppern, die seit vielen Jahren eigentlich nur noch von einem einzigen Spiel bedient wird: Serious Sam. Und das ist schade.
4 Kommentare
Serious Sam ist jetzt nicht “my cup of tea”, aber was Teil 3 angeht …
Missingno. – 29.1.2013
Oh was waren das Zeiten als man wild ballernd durch den ersten und zweiten Teil von Serious Sam gelaufen ist. Ich glaube das ist das einzige Spiel auf dem Markt, bei dem es Spaß gemacht hat sich unendlich viel Munition zu cheaten und einfach alles nieder zu mähen :)
Lieben Gruß
Tom
Naa …
SUCKMYROCKET
oder
idkfa
gehen auch gut.
Ich spiel ja grade die Serious Sam Collection auf der Konsole und habe überraschenderweise The First Encounter in zwei Abenden durchgesuchtet. Wie geil sich das anfühlt, wie gut das aussieht mit hochskalierten Texturen. Wenn der vierte (und der dritte, den ich bisher nur ruckelnd auf dem PC kenne) das gleiche in hübsch machen, dann hab ich da nichts auszusetzen. Vor allem in einer Shooterlandschaft, in der es so was halt abseits der Reihe einfach nicht gibt.
Wo wir grade beim Cheaten sind, btw: Aim Assist auf der Konsole macht aus dieser Reihe eine ganz neue Dimension von Spaß. So gut!