Monster Hunter: World war revolutionär. Unbestritten.
Also zumindest für mich und meine Wahrnehmung des Monster Hunter-Franchises. Erfolglose Versuche, mich in Monster Hunter 3 und 4 auf dem Nintendo 3DS einzufinden, scheiterten an vielem gleichzeitig: Miese Steuerung, miese Kamera, miese Grafik, winzige Gebietchen, die wahrlich Arbeit aus der Wyvernjagd machten, brachten mich jedes Mal schnell wieder von diesen Kulthits ab.
Und dann kam World. Mit nur einer Handvoll Gebieten, die aber dafür riesig waren. Und unglaublich schön und kreativ noch dazu. Dichte Dschungel, trockengelegte Unterwasserwelten, feurige Vulkanklippen, es war das Glow Up des Jahres. Alles war plötzlich hübsch, vom ersten bis zum letzten Monster, vom Steak bis zum Grillfisch. Und dann war da diese Mechanik, dieses kleine Fünkchen cleverer Integration der neuen, größeren Gebiete, die für mich aus “ganz nett” großartig gemacht hat: Ein lebendiges Ökosystem. Plötzlich rangen sich Monster gegenseitig Territorien ab, kämpften vor meinen Augen und vertrieben sich. Eine Idee, die so nur in diesen großen Gebieten umsetzbar war, die perfekte Evolution von Monster Hunters damaliger Handheld-Heimat auf den großen Prozessor. Diese Aufbruchstimmung fand sich auch treffend im Setting von World wieder: Die weißgewaschene Version der “Entdeckung der neuen Welt” ließ zwar einiges an historischem Taktgefühl missen, passte aber mechanisch sehr gut zum Expeditionsgeist der Monster Hunter-Reihe.
Monster Hunter: Rise trägt nun das schwere Joch eines Quasi-Handheld-Nachfolgers zu World, und es trägt dieses Joch direkt zurück in die Heimatgefilde Monster Hunters: Nach Japan. Nach dem um jeglichen Kolonialismus bereinigten Karibik- und Südamerika-Setting von World orientiert sich Rise stark an einem extrem auf Klischees reduzierten japanischen Spätmittelalter. Alle tragen Kimono und Holzsandalen, zu essen gibt es ausschließlich Dango, eine Variation eingefärbter Reiskuchen am Stiel (an dieser Stelle möchte ich mir selbst für die Zurückhaltung gratulieren, diesen Text nicht Monster Hunter: Reis genannt zu haben). Dahin ist also der Food Porn, der zum Release von World das Internet beherrschte. Neue Monster werden leider auch nicht mehr durch Zwischensequenzen eingeführt, die ihr natürliches Verhalten auf oft komödiantische Weise darstellen und damit direkt ihre Gefahren offenbaren, sondern in sehr schlecht vertonten Haikus unter einem körnigen Regenfilter.
Auch die Gebiete sind ans japanische Klima und dessen kulturelle Praktiken angelehnt. Statt Korallenriffs und mesoamerikanischen Canyons gibt’s diesmal Tempelruinen und Perlenfischereien.
Soweit, so gut; dass mir Worlds Setting besser gefallen hat, ist ein rein subjektives Geschmacksurteil. Und dass Rise als immerhin zum Teil als Handheldversion konzipiertes Spiel, das auf der Nintendo Switch zuerst erschien, die großen Welten von World zu imitieren versucht, ist ja eigentlich auch eine gute Sache. Keine Mini-Jagdgründe mit Ladebildschirm-Tunnels mehr, stattdessen mittelgroße Biome mit vielen einheimischem Leben und sogar der Territorialkampf-Mechanik des Vorgängers.
Aber unter dem Downgrade von “riesig” zu “mittelgroß” leidet das zuvor in die Perfektion geführte Spielprinzip dann eben doch. Erst recht, wenn gerade die eine neue Mechanik, die Rise sogar seinen Namen gibt, dieses Downgrade so schmerzhaft ersichtlich macht. Neu ist der Wirebug, ein Enterhaken, der sich an allem, inklusive Monstern und Luft, festmachen kann. Mehr Mobilität und insbesondere mehr Vertikalität verspricht das. Fast jeden Berg kann ich damit erklimmen, jedes Monster kann ich so reiten und in ein anderes Monster hinein steuern, um Kämpfe auszulösen. Das ist cool, keine Frage. Aber wenn ich von der Spitze jedes dieser Berge die Grenzen des spielbaren Gebiets sehe, wenn zwischen diesen Bergen eigentlich nur Schläuche bespielbarer Fläche zur Verfügung stehen, weil es für mehr auf der Switch nicht gereicht hat, was soll ich dann mit zusätzlicher Mobilität? Ja, ich kann jetzt einen Hund reiten, um Monster zu verfolgen, aber komischerweise war ich in World mit all seinen Ziplines, Kletterpflanzen und Fallschlingen für fliehende Monster dennoch schneller wieder mitten in der Jagd. Ja, ich kann jetzt auf einen Turm grappeln und von da ein Monster besteigen, aber dafür muss ich erst an einer sehr hässlichen Steintextur entlangrennen und mir Tastenkombinationen in Doppel- und Dreifachbelegung merken, die die ohnehin schon nicht einfache Monster-Hunter-Steuerung nochmal zusätzlich verkomplizieren. Wirtschaftlich hat es wahrscheinlich sehr viel Sinn ergeben, ein Monster Hunter direkt für die Switch zu veröffentlichen. Und es ist eine wunderbare Entwicklung, dass solche früheren Exklusivtitel nun auch auf den PC kommen, wie es bei DS- und 3DS-Titeln schon technisch überhaupt nicht möglich gewesen wäre. Aber meinem mit World neu geweckten Enthusiasmus für die Serie hat Rise doch wieder einen kleinen Dämpfer verpasst. Hoffnung für das nächste Monster Hunter – World 2 auf der PS5, das wär doch was? – gibt mir Rise aber allemal. Capcom haben bewiesen, dass sie aus ihren Erfolgen und Misserfolgen lernen. Einem wirklich monumentales Monster Hunter-Spiel mit den besten Versatzstücken aus Rise und World und einer ordentlichen Prise jener Open World 2.0, die seit Breath of the Wild Gaming im Sturm erobert, sehe ich gerne entgegen.
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