Nach dem kürzeren Assassin’s Creed Mirage gibt’s ein neues Endlos-Meuchelmörder-Abenteuer von Ubisoft: Assassin’s Creed Shadows hat wieder eine riesige Spielwelt, unzählige Markierungen auf der Weltkarte und dutzenden Figuren, die eine Klinge im Hals verschrieben bekommen haben.
Ich habe seit Assassin’s Creed III keinen Teil der Reihe mehr ernsthaft gespielt – und obwohl ich nichts vermisst habe, wollte ich mal sehen, wo die Serie inzwischen steht. Nach einigen harten Flops (speziell Star Wars Outlaws und Skull & Bones) hing für Ubisoft viel am Erfolg von Shadows. Doch so viel hat sich gar nicht getan. Ubisoft-Spiele sind sich über das letzte Jahrzehnt so ähnlich geworden, dass meine jahrelange Pause bei Assassin’s Creed kaum spürbar war: In Ladepausen wartet meine Spielfigur weiter im digitalen Nirvana, beim Klettern wird sie entdeckt, weil sie plötzlich doch nicht über diesen einen Dachziegel springen kann und das Intro/Tutorial dauert ewig. Die zu langen Cutscenes und Tutorial-Spielabschnitte springen dabei nicht nur zwischen den beiden spielbaren Figuren, sondern immer wieder zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Ubisoft will Shadows als epische Erzählung inszenieren, stolpert dabei aber vor allem über hölzerne Gesichtsanimationen und zu viel kitschigem Gebrabbel über Ehre und Loyalität.
Dafür gibt es in Shadows zumindest zwei gänzlich unterschiedliche Spielfiguren: Yasuke, ein Samurai und Berg von einem Mann, der sich mit roher Gewalt durch Gegner Hulk-smashed, aber dafür kaum klettern kann. Und Naoe, die als Shinobi eher die klassische Assassins-Creed-Hauptfigur ist. Sie schleicht, balanciert und klettert durch feindliche Tempel und Festungen, ist im offenen Kampf gegen mehrere Gegner:innen aber schnell überfordert. Dabei gibt es ein starkes Ungleichgewicht zwischen den beiden, denn Shadows erlaubt einen freien Wechsel erst ab einem bestimmten Punkt. So war ich in den ersten 15 Stunden nur mit Naoe unterwegs und viel mehr in sie als Hauptfigur investiert. Erzählerisch ist Naoes Seite der Geschichte der klare Fokus – Yasuke bleibt bis zuletzt eher eine Nebenfigur, auch spielerisch. Das liegt vor allem daran, dass Yasuke sich wie der wandelnde Easy Mode spielt. Wo Naoe auf Stealth setzt und unentdeckt über Häuserdächer flitzt, rummst Yasuke mit etwas Anlauf durch geschlossene Tore und enthauptet Gegner:innen easy mit brutalen Finishern. Das ist perfekt, wenn man sich Bosskämpfe leichter machen will, ansonsten war ich immer mit der flinken Naoe unterwegs.
Besonders enttäuschend ist aber, wie Ubisoft Yasuke erzählerisch ausfüllt. Wenn man ihn erstmals nach dem Intro wieder steuert, gibt es auch für ihn mehrere Missionen in der Vergangenheit, in denen Spieler:innen erfahren, wie er als Sklave der Portugiesen zu einem Samurai wurde. Es ist beinahe bemerkenswert, wie wenig Shadows über seine Zeit vor Japan erzählen will und wie wenig das bis zum Ende Teil seiner Motivation bleibt. Seine Vergangenheit, Identität und die Beziehung zu den Portugiesen bleibt blutleer und auch in den spielbaren Abschnitten ist Yasuke im Grunde ein akzeptierter Teil der japanischen Öffentlichkeit. Sklaverei oder Xenophobie haben kaum Platz in Shadows – und das, obwohl Ubisoft sich bewusst dazu entschieden hat einen schwarzen Samurai als eine zentrale Spielfigur anzubieten. Diese Mutlosigkeit fällt noch mehr ins Gewicht, weil Naoes Geschichte austauschbarer kaum sein könnte. Ihr Vater wird früh im Spiel ermordet, ein MacGuffin ist verschwunden und sie schwört Rache. Zwölf maskierte Samurai müssen ermordet werden und es wäre kein Ubisoft-Endlosspiel, wenn nicht links und rechts des Weges unzählige weitere Bösewichte ihr frühzeitiges Ableben herausfordern würden.
Bis zu dem Punkt, an dem Yasuke wieder ins Spiel zurückkehrt und sich Naoe anschließt, hatte ich mit Assassin’s Creed Shadows überraschend viel Spaß: Ich ging auf Entdeckungsreise, pilgerte von einem Aussichtspunkt zum nächsten und räumte hier und da fiese Samurai aus dem Weg. Ubisofts Japan des 16. Jahrhunderts sieht umwerfend aus und weil alle paar Stunden auch die Jahreszeit wechselt, bleibt sie auch über längere Zeit ein Hingucker – besonders die Kamerafahrt beim Freischalten der Aussichtspunkte. Doch hat sich die erste Begeisterung gelegt, wird die Kulissenhaftigkeit der Welt offensichtlich. Zwar springen mehr Rehe und Häschen durch die Gegend als in allen Disney-Filmen zusammen, doch lebendig ist das hier nicht. Zu entdecken gibt es vor allem Tempel, Aussichtspunkte oder feindliche Lager. Abseits des Weges liegt meist nur undurchdringbares Wald- oder Berggebiet. Immerhin reitet das Pferdchen auf Straßen und festen Wegen komplett automatisch zum Zielpunkt.
Daneben bleibt nur noch die unnötig komplexe Hauptgeschichte mitsamt seiner unausgegorenen Wechselmechanik zwischen Yasuke und Naoe. Spieler:innen können den Wechsel nur im Pausenmenü vollziehen und müssen dann jedes Mal eine Ladepause abwarten. In feindlichen Festungen ist der Wechsel erst gar nicht möglich. Das nervt, wenn man mit Naoe ungesehen eine Zielperson ausgeschaltet hat und dann vor einem schweren Regal steht, das nur Yasuke aus dem Weg schieben kann. Dann muss man erst die Festung verlassen und sie mit Yasuke erneut durchstiefeln. Da Stealth für den gefühlt drei Meter großen Typen keine Option ist, schlachtet man sich auf dem Weg zur Lootkiste langwierig durch die gesamte Belegschaft.
Anfangs dachte ich wirklich, dass Assassin’s Creed Shadows mich nach jahrelanger Pause überzeugt. Das feudale Japan ist als Spielwelt zwar nicht mehr taufrisch, aber ich habe mich daran zumindest noch nicht sattgespielt – und optisch gibt’s wenig zu meckern. Doch das Konzept der zwei Hauptfiguren geht für mich nicht auf. Das liegt am nervig eingeschränkten Wechsel zwischen ihnen sowie ihrer blassen Charakterisierung. Und spätestens, wenn das freie Entdecken gegen das Abarbeiten der Hautmissionen eingetauscht wird, enttäuscht Ubisoft: Spieler:innen werden in bis zu fünf Untermissionen von Ort A nach Ort B geschickt, müssen dort mit irgendeiner Figur reden und stürmen am Ende einen Tempel oder eine Festung – Missionsdesign zum Einschlafen. Am Ende ist und bleibt Assassin’s Creed Shadows ein typisches Ubisoft-AAA-Spiel, das grafisch überzeugt, sich aber spielerisch wenig traut. Dank jahrelanger Pause hatte ich am lautlosen Infiltrieren der Festungen länger Spaß als gedacht und für ein milliardenschweres Investment von Tencent hat’s auch gereicht.
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