Was reimt sich auf Lurch? Ich spielte eben Titanfall 2 durch. Zufall? Ich glaube nicht, denn so fühle ich mich jetzt. Wie so ein Otto, der für einen Drei-Tage-Bart 27 Wochen braucht und bei dem Thema GamerGate „richtige Ansätze“ sieht. Alles an Titanfall 2 ist falsch, aber genau genommen ist alles an Titanfall 2 auch sehr richtig; die Entwickler bedienen eine Zielgruppe mit den entsprechenden Erwartungen: Quatsch zum Quadrat nämlich. Irgendwie haben wir das dann auch verdient.
Über den Mehrspieler-Modus will ich gar nicht so sehr maulen, obwohl, ach komm, wenn man mir so ein Spiel zumutet, ist Rache nur gerecht: Da adaptieren die scheinbar von Nostalgie verblendeten Berufsdiebe ein paar schnelle Bewegungen aus den vergangenen Jahrzehnten des Genres, bis vom Prinzip Call of Duty — naja, eigentlich immer noch Call of Duty übrig bleibt. Beide Reihen unterscheiden sich nur im Marketing, und selbst das ist nur unterschiedlich dusselig. Wie Activision jedoch Kritik entflammt, interessiert mittlerweile sogar Hersteller von Grillanzünder, eine Abgrenzung davon war somit nur logisch und längst überfällig. Das tat Microsoft dann also mit ehemaligen Modern Warfare-Entwicklern, gründete Respawn und bastelte Titanfall. Wobei das natürlich nicht viel mutiger ist als den Wecker für den nächsten Morgen vierzehn Sekunden später zu stellen als üblich.
In Titanfall 2 springt und hoppelt es mehr als im Menschen-Startgebiet aus World of Warcraft vor zehn Jahren. Das ist nämlich das wesentliche Spielprinzip. Im Mehrspielermodus funktioniert das eher schlecht als recht, schließlich variieren die Bewegungsabläufe kaum mehr als bei aktuellen Call of Duty-Vertretern. Du springst einmal öfter als üblich. Wer das feiert, erhebt kaum Ansprüche an Shooter, was okay ist, also dieses generelle Bedürfnis nach Stupidem, schließlich müssen die Filme von Christopher Nolan ja auch irgendwann geschaut werden, so als Beispiel. Nur nervt dieses Zurschaustellen von Eigenarten, die gar nichts eigenes haben, sondern irgendeiner bereits bestehenden Art angehören und da besser funktionieren. Wer Schnelligkeit im Shooter haben will, installiert Unreal Tournament. Alle anderen bejubeln ihr kackbraun gefärbtes Maschinengewehr.
Furchtbar lästig spielt sich Titanfall 2 also im Multiplayer, was auch für den ersten Teil gilt, zumindest glaube ich das, weil meine Spielzeit komischerweise genau so lang dauerte wie die Deinstallation. Im zweiten Teil erhöhte sich die Spielzeit auf mehrere Stunden, immerhin. Ich wollte mich überzeugen, ob da noch irgendwas kommt. Ob ich ab einem bestimmten Punkt das nächste große Ding freischalte. Die eine Waffe vielleicht, die statt „Boom!“ nun „Kawäng!“ macht oder der eine Titan, der sich mal nicht so spielt wie die Mittelschichtsversion von Duke Nukem, der als Filialleiter bei McDonalds nach Schichtende noch immer die muffigen Burger mampft. Ich sehnte mich also nach dem Punkt, an dem ich dem Spiel nicht mehr den Rücken kehren kann, weil das alles jenseits von toll, geil, krass ist, sondern megatoll, megageil, megakrass!
Stattdessen bekam ich einen Titanen, der kein Maschinengewehr nutzt — sondern eine Schrotflinte. Ich war sprachlos, zumindest solange, bis ich Modern Warfare installierte und es anschrie: „Du hast alles verändert, du bist Schuld an diesen jugendlichen Kriegsfantastereien!“ Die pixelgewordene Menschenverachtung genießt ja bis heute Kultstatus, vielleicht sogar zurecht, zumindest solange, bis die Entwickler ihre bumsdoofe Ideologie offenbaren und das Abschlachten nicht identifizierter Feinde zelebrieren, bis der amerikanische Teenager-Schniedel so aufrecht steht wie die US-Flagge vor dem Haus. So weit geht die Kampagne von Titanfall 2 zum Glück nicht. Die bleibt bei Doofheit. Ok, also doch wieder wie Modern Warfare.
Jedenfalls: Ein Raumschiff stürzt ab, mein Vorgesetzter schenkt mir einen Titanen und alle sind glücklich. Ich spreche Titan übrigens wie „Titan“ aus, also deutsch, denn Spiel und Torhüter haben einander verdient. Gar nicht mal so dröge, aber weitgehend doch schon doof zelebrieren die Entwickler von nun an das Springen und das Laufen. In einem Abschnitt muss ich in einer Fabrik für, äh, Büroräume meinem Riesenroboter hinterherrennen, den haben meine Gegner nämlich stibitzt. Ein Areal eröffnet sich, für das ein einziger Blick zur Erkundung nicht reicht. Für gut 45 Minuten habe ich Spaß. Überraschung! Überall schwirren Roboterarme, die Plattformen für Bürostühle bereitstellen, ringsherum stolzieren Feinde und belagern meine Positionen derart, dass ich mehr sprinte als ballere.
Solche Höhepunkte findet man kein zweites Mal in der knapp fünfstündigen Kampagne. Das wäre auch alles nicht weiter bemerkenswert, wenn mir das Spiel nicht ständig die Wand ins Gesicht presst. Ja, Titanfall 2 nötigt einen fast schon, solang an den Wänden zu kraxeln bis selbst Spider-Man aussehen würde wie ein Hobbit am Schicksalsberg. Es gibt fast immer auch einen Weg hindurch ohne Mirrors Edge zu imitieren, aber das will das Spiel nicht. Das Spiel will Bewegung und Tempo. Das Spiel ist Detlef D! Soost.
Bemerkenswert doof zaubert Titanfall 2 dann noch ein Zeitreisen-Element herbei. Aber hey, wen wundert das, wenn sogar der mittelalterliche Weltherrschaftssimulator Dragon Age: Inquisition seine vermeintlich clever geschriebene Handlung plötzlich ein Jahr in die Zukunft versetzt, damit jeder Dödel weiß, warum das eben nur vermeintlich clever ist. Zu seinem Titanen baut man als Spieler indes keine Beziehung auf, was einmal mehr beweist: Irgendwie soll alles einmal erwähnt werden, was in der Popkultur ein wenig von Belang ist, neben Zeitreisen natürlich auch künstliche Intelligenz, die hier gar nicht so uncharmant, aber eben sehr oberflächlich meinen Arsch rettet. Über harmlose Kriegswitze und Buddy-Highfives geht es nicht hinaus. Ein Spiel, so männlich wie selbsthergestelltes Bartöl aus mit Bier abgelöschtem Grillfleisch.
Je mehr ich kritisiere, desto mehr will ich die Unterschiedene erkennen zu anderen Militärparaden, die sich Shooter nennen, zu Modern Warfare, Infinite Warfare, Homefront, Battlefield, Black Ops, Ghosts, irgendwas, was sich nicht mit „Dummbeutelkampagne“ und „Callofdutygedächtnismultiplayer“ beschreiben lässt — aber ich erkenne sie nicht. Es mehren sich stattdessen die Gemeinsamkeiten.
Klebt den Spieletitel weg. Kritzelt „Birnengelee“ drauf. Wird es Birnengelee? Nein. Es bleibt Dreck. Dreck, der glänzt und schimmert, immerhin: Millionen-Dollar-Budget und so, aber wenn ich das Birnengelee poliere, ganz doll und doller, sieht es eben nicht aus wie die verschimmelte Pampe aus Katzenurin und BigMacs (also: Titanfall 2), die innen drin wartet. Erst wenn man hineinblickt, öffnet sich der Schwindel.
Ich bemerke erneut, dass zu viele Shooter das popkulturell unverzichtbar gewordene Massenmorden im Hollywoodglanz fragwürdig hochjauchzen und selbst in der geschichtsfreien Interaktivität des Mehrspielermodus nicht mehr als Freischaltungsgewichse bieten.
Das ist traurig, und als ich vor Erschöpfung meinen Kopf an die Wand lehnen will, schreie ich kurz auf. Da wird mir bewusst: Ich will erst einmal nichts mit Titanfall 2 zu tun haben. Und mit Wänden sowieso nicht.
14 Kommentare
Der derbste Verriss von Titanfall 2 im Internet …? :-D
Ich verstehe Deinen Ansatz. Das war es dann aber auch schon. Ich fühlte mich in Titanfall 2 durchweg gut unterhalten.
Der Verfasser denkt er sei witzig.
Man merkt in jeder Zeile, dass es sich um einen durchschnittlichen Honk handelt.
Dabei war UT bei den Quake-Spielern (die ich so kennengelernt habe) für sein langsames Movement verpönt.
@ HomiSite: Also ich wäre schon sehr verwundert, wenn niemand sonst Titanfall 2 mit so viel Leidenschaft nicht mag wie ich. Da gibt es bestimmt noch mehr!
@ Scrugo: Das ist schön, wirklich! Auch wenn ich harsche Worte wähle, kann ich durchaus verstehen, wenn man damit Spaß hat. Irgendwann macht Respawn bestimmt auch ein Spiel, das mir gefällt. Irgendwann.
@ Hellbrixx: Mein Motto lautet immer: Lieber durchschnittlich als unterdurchschnittlich. Komm ich gut mit klar bisher.
@ Molo: Danke! Aber du guckst die falschen Videos, ganz eindeutig!
@ Missingno: Quake könnte da auch stehen, natürlich. Ich selber war allerdings immer UT-Fanboy, deswegen steht es da auch. (Theoretisch könnten da natürlich noch mehr Titel stehen.)
Ich bin ja seinerzeit beim Vorgänger zu einem ähnlich schmeichelhaften Urteil gekommen ( http://polyneux.de/2014/04/25/titanfall-review/ ).
Damals war es auch so, dass viele Leute dem Spiel auf Twitter und in den Kommentaren zur Verteidigung beisprangen. – “Ey spinnst Du?! Titanfall ist total super!” – Wie das mit dem Hype und der Begeisterung um Titanfall dann ausging, wissen wir alle: Nach 3-4 Monaten waren die MP-Server wie leergefegt. Die Heuschrecken mit der ultra-kurzen Aufmerksamkeitsspanne waren weitergezogen…
(Note to self: Idee für eigene Sendung bei Astro TV pitchen.)
Ich finde es interessant, dass Jannick das unterstreicht, was ich bei der Ankündigung eines Titanfall 2 mit Single Player-Campagne befürchtet habe: Das wird doch der gleiche, strunzdoofe Mist, den wir auch schon von anderen Ablegern aus dem Military Shooter Genre kennen. Dabei bin ich mitunter doch schon neugierig geworden, ob Titanfall 2 nicht doch gut und spaßig sein könnte, weil es von Leuten, deren Meinung ich eigentlich schätze, positive erwähnt wird, aber andererseits ist mir auch unklar, wie die Call of Duty-Spiele ihren Ruf als geilen Aktion-Shit erlangt haben. Vielleicht gucke ich doch nochmal rein – sind ja wohl nur fünf Stunden.
Sorry, aber: Blödsinn!
Für mich scheint das ganze -ehrlich gesagt- nur geschrieben um einen möglichst hohen Provokationkoeffizienten zu erreichen.
Ich meine: OK – Spiele kann man gar nicht neutral bewerten, aber TF2 macht aber auf so vielen Ebenen so viel richtig, da muss man sich schon arg weit vom Mainstream entfernt haben um es denn so zu arg verreißen . Es sei denn das beschwimmen des abseitig-abstrusen Sidestreams ist Selbstzweck, was ich ja -wie gesagt- argwöhne.
TF2 ist -im SP- einfach ein überraschend gutes Spiel, und ÜBRIGENS: Nolans Filme sind auch nicht die stupiden Machwerke, als das sie die neue, pseudo-intellektuelle Welle sie hinstellen will.
Sie sind -und hier schließt sich der Kreis zu TF2- schlicht und einfach: gute Unterhaltung.
@ Greulich Mannsmann: Sorry, aber: Blödsinn. ;) Wenn du Spaß an Titanfall 2 hast, ist das echt supi und so, aber dann solltest du auch in der Lage sein, anderen ihre Meinung zu lassen. Ich hatte anscheinend nicht so viel Spaß an Titanfall 2 wie du. So what? Könnte man auch einfach akzeptieren und es bei einem “Scheiß Artikel!” belassen und mir nicht irgendwelche kruden Verschwörungen unterstellen, ich hätte das nur aus Provokation geschrieben. Wie du selber sagt: Spiele kann man nicht neutral bewerten. Da kommt auch kein “aber” hinter.
@ SpielerZwei: Ja, ich hatte deinen Artikel gelesen, der auch ziemlich das wiedergab, was ich vom ersten Teil dachte. Wobei ich sagen muss, dass die Server bei Teil 2 durchaus noch ein paar Mitspieler am Start hatten. Länger als eine Minute musste ich fast nie warten.
@ Le Don: Wie hier schon geschrieben, kann ich es durchaus verstehen, dass man mit Titanfall 2 Spaß haben könnte. Dieses Zeitreisending zum Beispiel gefällt manchen bestimmt sehr, auch die Buddy-KI sorgt für Schmunzler. Ich habs selbst nur digital, ich könnte es dir leider auch nicht mal ausleihen, aber für wenig Geld in einem Sale kann man da ja mal zuschlagen.
@ Greulich:
Die nicht jeder geil finden muss. Mir persönlich ist es immer noch unerklärlich, wie man Michael Bays Bad Boys unterhaltsam und nicht langweilig finden kann. Oder CoD. Oder, oder, oder…
@ Jannick:
Ja, gerade zum Zeitreise-Level hört man ja viel. Naja, mal gucken, vielleicht.
Ein “Verriss” einer hochgepushten “Marke” die fast überall abgefeiert wird ist -zumindest für mich-eigentlich immer recht interessant, aber wenn man schon zu Anfang solche “Schnitzer” einbaut und die durchaus interessante Geschichte um Infinity Ward vs. Activision und die daraus resultierende Gründung von Respawn Entertainment unter den Fittichen von EA auf ein schlecht informiertes/recherchiertes ” Das tat Microsoft dann also mit ehemaligen Modern Warfare-Entwicklern, gründete Respawn und bastelte Titanfall” runterdampft dann tut das nem halbwegs mit der Materie vertrauten Zocker der zb. weiß daß Infinity Ward quasi die “Erfinder” von Call of Duty (und nicht nur Modern Warfare) sind oder daß Titanfall2 auch auf der PS4 erschienen ist, was Games die von Microsoft zugehörigen Entwicklerstudios kommen eher selten tun schon ein klein wenig weh und man kann fast davon ausgehen daß auch der Rest des “Reviews” ähnlich oberflächlich bleibt.
Netter Versuch, im Kontext des ganzen Military Shooter Hypes sogar lobenswert, auch nett geschrieben, aber hätte man vielleicht etwas interessanter, fundierter und anders aufziehen können.
@ Cody
Ja nun, das mag ja alles sein. Aber wie du vielleicht gemerkt hast, habe ich keinen Hintergrundbericht geschrieben, der die Entwicklung von Titanfall möglichst detailgetreu erzählt, sondern, ja keine Ahnung, einen Erlebnisbericht. Wer nun Call of Duty erfunden hat oder wer hier jetzt wo als Publisher fungiert, ist mir ziemlich egal.
Dass Titanfall fast überall abgefeiert wird, halte ich übrigens für ein Gerücht. ;)
Dass Titanfall fast überall abgefeiert wird, halte ich übrigens für ein Gerücht. ;)
echt?
Ich habe dieses Schrott Game nun schon zweimal bis zum Zeitreise Level gezockt und dann wieder deinstalliert.
Meine Einstellung zu diesem Jump and Run Verschnitt hat sich in den Jahren auch nicht geändert.
Da es die gecrackte Version war, geht mir das gepflegt am Popes vorbei.
Hoffentlich bringen die kein Super Mechio 3 raus.
M.E. trifft Jannick mit seinem Review, den Nagel auf den Kopf.