In der vergangenen Woche kundschaftete ich, mit dem festen Ziel, dort einzudringen, ein großes, Palazzo-ähnliches Gebäude aus: Zu meinem Bedauern musste ich leider feststellen, dass sich das Objekt meiner Begierde hinter dicken rostroten Backsteinmauern befand. Die illustre Gesellschaft, die sich gerade in dieser Festung verschanzt hatte, schien zudem ein ausgesprochen gutes Gespür für Architektur ohne Schlupflöcher für Diebe, Auftragsmörder und andere düstere Gestalten zu haben. Ein schwieriger Job. Aber, “Na gut”, dachte ich, wenn ich nicht über die Zinnen klettern kann und nicht das richtige Werkzeug dabei habe, um über den vergitterten Seiteneingang einzusteigen…
“Dann schreite ich eben einfach durch das Haupttor”, malte ich mir aus. Ruhig, nicht zu schnellen Schrittes, unauffällig verhalten, den Blick nach unten gesenkt, aber dennoch ständig ein Auge auf die Wachleute gerichtet. In einem Moment, in dem ich mich unbeobachtet fühlte, bog ich dann in einen leeren schmalen Gang ab, überquerte einen unbewachten Innenhof, schlich einige Treppen hoch und schlüpfte, endlich im obersten Stock angekommen, mit einer Gruppe Fremder durch die Tür zu den heiligen Gemächern. Im schummrigen Licht der tief hängenden Kronleuchter, das halb von den dunkel getünchten Wänden verschluckt, halb von allerlei im Raum verteilten gläsernen und Metallgegenständen reflektiert wurde, mischte ich mich unter das Volk. Unauffällig ließ ich mich auf einem Sofa nieder. Die Spannung war kaum noch auszuhalten. Der Gegenstand, dem ich schon so lange hinterher jagte, war praktisch zum Greifen nahe.
Also beugte ich mich vor, nehme einen der Sixaxis-Controller vom Tisch und begann endlich, Ubisofts “Assassin’s Creed 2” zu spielen. Das jedoch ist nicht so eine Offenbarung, wie man annehmen könnte. Ein typisches Sequel, more of the same. Das bestätigte dann auch Missionsdesigner Gealec Simard – man habe während der Entwicklung von “Assassin’s Creed 2” die Schwächen des Vorgängerspiels auszumerzen versucht und sich auf den Ausbau der Stärken des gespielten Auftragsmörderdaseins konzentriert.
Das sieht wie folgt aus: In einem bizarren futuristischen Bunker absolviert man ein kurzes Tutorial, lässt das historische Gedächtnis aus seiner DNS extrahieren und findet sich kurz darauf im Florenz der Renaissance wieder. Man landet im Körper eines halbwüchsigen Beaus, mitten in einer Schlägerei seiner Gang mit Angehörigen einer verfeindeten Familie. Dadurch, dass man eine kleine Blessur davon zieht, lernt man neben dem Kampf- und Plünderungssystem auch, dass man sich bei mit schwarzer Schnabelmaske bekleideten Ärzten von seinen Wunden sozusagen freikaufen kann. Kaufen kann man im historischen Italien natürlich auch andere Dinge: Waffen, Rüstungen, Freischärler etc. etc. Neben Händlern existieren zudem verborgene Schätze, Kurier-Missionen, Schlägerei- und Jagd-nach-Federn-Missionen, natürlich die relativ frei erkundbare Welt und eine Art Fahndungslevel, welches sich erhöht, wenn man zufällig von einem Dach auf die Köpfe einer Gruppe Mönche springt.
Nur sind die Sandbox-Elemente, die bei mir recht häufig den Eindruck hinterließen, eine Art mittelalterliches “Grand Theft Auto” zu spielen, natürlich nicht das, was die “Assassin’s Creed”-Serie auszeichnet. Dessen charakteristische Merkmale werden vermutlich auch in zukünftigen Iterationen das Klettern an brüchigen Hauswänden, das Erklimmen der Zinnen schwer bewachter Gefängnistürme und der Kampf gegen die Leibgarde wichtiger pseudo-historischer Personen sein. Während der verhältnismäßig kurzen Zeit, die ich mit dem Spiel verbringen durfte, hatte ich, zumindest, was das Klettern angeht, einen Mordsgaudi. Nur der, im wahrsten Sinne des Wortes, Umstand, den rechten Trigger und die X-Taste gedrückt halten zu müssen, um zu sprinten, trübte das Vergnügen ein wenig. Sonst ging die Steuerung allerdings leicht von der Hand. Die typische “Assassin’s Creed”-Tastenbelegung (Dreieck für die Funktionen des Kopfes, Kreis und Viereck für die der Arme, Kreuz für die Beine) könnten ruhig auch ein paar andere Spielehersteller adaptieren.
Auch als blutiger Anfänger bin ich eigentlich nach jedem Sprung dort gelandet, wo ich vorhatte, zu landen; bis auf den besagten Unfall mit dem armen unschuldigen Mönch natürlich – Im Gegensatz dazu ist es mir im ansonsten makellosen “Mirror’s Edge” häufig passiert, dass ich während eines spektakulären Stunts aus Versehen den Knopf fürs Stoppen betätigte und ebenso spektakulär zu Boden stürzte. Zum eigentlichen Ablauf des Schlagens und Stechens kann ich leider nichts anmerken, da der anwesende Ubisoft-Vertreter leider zum gefühlt fünften Mal seinen Live-Action-Promo-Film abspielen mußte, während ich gerade dabei war, zu lernen, einem stark gepanzerten Henker seine meterlange goldene Axt abzuluchsen.
Überhaupt nicht gefielen mir dagegen Dialoge und Geschichte. “Assassin’s Creed 2” wartet, wie so viele andere in letzter Zeit veröffentlichte Titel, mit einem Hauptcharakter auf, der unsympathischer nicht sein könnte. Ätzio, Verzeihung, Ezio heißt der jüngste Spross eines altgedienten Assassinen im Dienste der Medici; seine Freizeit verbringt er, wie bereits erwähnt, damit, Prügeleien mit Raufbolden rivalisierender Familien anzuzetteln und sein Geld in Zechgelage und Frauen zu investieren. Gleich zu Beginn bleibt es einem nicht erspart, eines seiner amorösen Abenteuer mitzuerleben. Sobald Ezio den Fenstersims seiner Angebeteten erklommen hat, sieht man in der alles andere als schönen In-Game-Grafik eine Cutscene, in der die Kamera erst auf das junge Pärchen, dann dezent auf die Wände und umstehenden Möbel des Schlafzimmers hält. Abgerundet wird dies schließlich mit einem lüstern in das Ohr gehauchtem “Oh, Ezio”. Es fehlte nur noch, dass Kratos, Gott des Krieges, plötzlich die Tür eintritt und die Vasen auf dem Nachttisch zerspringen ließe.
Wer allerdings circa 15 Stunden lang diesen halbgaren Plot ignorieren kann, Spaß an Make-Believe-Free-Running und Aufträgen zum Mord an Pixel-Gestalten hat, dürfte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Gefallen an “Assassin’s Creed 2” finden. Mir persönlich wäre es jedoch lieber gewesen, hätte Ubisoft ein Spiel entwickelt, das erwachsene Inhalte enthält, die ihrem Namen auch gerecht werden. Auf pubertäre Macho-Phantasien verzichte ich dagegen gern. Genau wie auf diesen DNA-Zukunfts-Quatsch, der als Erklärung des Episoden-Charakters und Funktionen wie die interaktive Karte herhalten muß. Sogar die gänzliche Abwesenheit einer Story hätte ich verschmerzt – das Spiel hätte, wie zum Beispiel der Download-Content aus “Mirror’s Edge”, getrost in einer abstrakten Welt stattfinden können.
26 Kommentare
Zitat: “Mir persönlich wäre es jedoch lieber gewesen, hätte Ubisoft ein Spiel entwickelt, das erwachsene Inhalte enthält, die ihrem Namen auch gerecht werden.”
Diesen Satz kann man leider unter viele Spiele schreiben, trifft aber den Punkt sehr gut.
Grandioses Intro, Herr Nille! Respekt dafür! ;)
[i]”Mir persönlich wäre es jedoch lieber gewesen, hätte Ubisoft ein Spiel entwickelt, das erwachsene Inhalte enthält, die ihrem Namen auch gerecht werden.”[/i]
Diesen Satz kann man vor allem dick und fett unter Dragon Age setzen (und dabei Ubisoft durch Bioware ersetzen ;))
Jungs, lasst mich rate: Der Trend geht weg vom Header-Bild?
[quote]Jungs, lasst mich rate: Der Trend geht weg vom Header-Bild?[/quote]
Genau, ab heute nur noch ASCII-Art. ;)
Aber im Ernst, ein Bild hätte doch alles gespoilert..
Das Szenario finde ich interessant. Aber allein der Back-to-the-Future-Blödsinn nervt schon optisch so sehr, das ich es (wie Teil 1) erst gar nicht anfassen werde.
Ich finde diesen ganzen Zukunfts-Vergangenheits-Hickhack unpassend. Zerstört mir die Atmosphäre des geschichtlichen Settings.
Mir persönlich gefiel das erste Spiel, daher bin ich relativ gespannt auf den zweiten Teil. Das Sci Fi-Zeitreise-Setting hat mich gar nicht gestört, und die Orientierung an Blockbustern fand ich zwar auch nicht so prickelnd, aber längst nicht destruktiv. Eher hat mich gestört, dass das erste Spiel sich viel zu sehr auf seine grundsätzlichen Spielroutinen verlassen hat. Naja, und das klettern war zu leicht für meinen Geschmack.
Bezüglich der “erwachsenen” Inhalte mal ne Frage in die Runde: Wie würdet ihr solchen Content definieren? Spielen an sich hat doch archetypisch schon etwas kindliches, dass wirklich erwachsene Inhalte mit allen Übel in der Welt doch je nach Context möglicherweise im Weg stehen könnten, oder?
die zeigen “assassin’s creed 2” auf der ps3? mit einem sixaxis-controller??? abgefahren.
[quote]die zeigen “assassin’s creed 2” auf der ps3? mit einem sixaxis-controller??? abgefahren.[/quote]
Die Xbox-Version sah auch nicht viel anders aus..
Hi alle.
Wenn des Spieles Story an seinen Vorgänger anschließt, dann heißt der Protagonist wohl Desmond oder so ähnlich, und nicht Ezio. Desmond ist mir sympathisch, und dafür, daß sein Vorfahr ein Halodri war kann er ja nix :-) Sind die Dialoge wirklic soviel schlechter als in AC1?
Die Rahmenhandlung hat mir wunderbar gefallen ist ja wohl unbestreitbar originell und nebenbei die Hauptstory. Man darf vielleicht sogar damit rechnen, dass ein AC-Titel einmal in Desmonds Gegenwart spielen wird, schließlich hat er bereits eine Fähigkeit Altairs in sich entdeckt kann sie jetzt selbst nutzen.
AC in einer abstrakten Welt? Da würd’ mir wesentliches abgehen. Die Atmosphäre der orientalischen Welt war klasse, hoffe die Italiens ist ähnlich gut.
Frohes Zocken :-)
ich meint das auch nur in dem sinne, dass ich immer den eindruck hatte, dass assassin’s creed ein ziemlicher xbox-hit war/ist, auf der ps3 aber nie so die große rolle gespielt hat. und einem dann noch den sixaxis statt eines ds3s in die hand zu drücken, finde ich ja etwas befremdlich.
Es tut mir ja furchtbar leid, daß ich den Vorgänger nicht gespielt habe und daher wenig zur (Meta-)Geschichte sagen kann.
Aber es verhält sich folgendermaßen: Der Protagnoist wird zu Beginn aus einem Sci-Fi-Komplex mit den MaTrIx-mäßigen Geräten befreit und flieht mit seiner Begleiterin zu deren eigenem Versteck, in dem sich auch so ein “Holo-Deck” befindet. Dort übernimmt er dann die Rolle seines Vorfahren, der den Namen Ezio trägt.
Es wird auch immer wieder auf einen Vorgänger von Desmond(?) angespielt, der ebenfalls aus dem Komplex geflohen ist. Man besitzt nun auch eine Spezialfähigkeit, die das gesamte Sichtfeld blau einfärbt und in rot wichtige Personen und Objekte wie Gegner und Schätze (glaube ich) herausstellt, zudem erkennt man damit auch Spüren des ominösen Vorgängers, die einem am Anfang bei der Flucht helfen..
Die Dialoge empfand ich wirklich als ziemlich mies. Die waren Welten entfernt von zum Beispiel den Unterhaltungen in Half-Life 2, die stellenweise auch humorvoll sind, aber nie plump wirken.
Das Spiel wurde auf beiden Plattformen präsentiert, sowohl auf Xbox, als auch auf PS3. Ich denke aber nicht, daß das schon die finale Version war, es würde mich nicht wundern, wenn sogar noch ein paar Grafik-Effekte gefehlt hätten (die Models und einige Animationen waren dennoch nicht der Hit). (DS3 kenne ich nicht, höchtens den DSi!? ;)
Danke für die nachträglichen Infos; uii, jetzt freu ich mich noch mehr drauf :-) Ich nehm’ an, deine Kostprobe war auf englisch?
Du hast AC1 nicht gespielt: jetzt versteh ich ein wenig, warum dir die Story auf den Keks geht. Du hast halt mit Desmond noch nicht richtig mitgelitten, drum ist er dir egal :-)
Was ist matrixmäßiges Gerät? Ledertracht? ;D
(Hab AC1 übrigens aufm PC gespielt, da läuft und springt sichs besser, dafür kloppt es sich nicht so gut wie mit Gamepad).
Genau, da läuft die ganze Zeit über eine Dominatrix herum und läßt die Peitsche knallen. ;)
Nein, es war natürlich dieses Gerät namens Animus genannt, indem die “Patienten” die Vergangenheit durchleben..
@ Felix: Naja, AC1 hat sich auf der 360 in etwa über 4 Mio. mal verkauft, und auf der PS3 über 3 Mio. mal, von daher würde ich nicht sagen, dass es auf der Sony-Konsole keine große Rolle gespielt hat^^.
ah, okay, dann habe ich mich getäuscht. :)
habe nur so in erinnerung, dass bevor ac1 überhaupt draußen war und die werbetrommel lief, sich alles im bezug auf das spiel immer um die xbox360 drehte – was möglicherweise auch daran lag, dass die ps3 ja eher schleppend in gang kam.
@nille: mit ds3 meinte ich den dualshock3, den aktuellen standardcontroller der ps3 (mit rumble und sixaxis-funktionen. der erste controller der ps3 hieß einfach nur “sixaxis” und hatte kein rumble).
Mich is dat allet eins. ;)
Ich bin mir aber sehr sicher, daß nicht nur die Xbox-Version, sondern auch die für die PS3 vibrieren wird.
Ein wenig spät hier, aber trotzdem Danke für den Artikel. Ich habe mir AC1 preisgünstig in der Platinum Edition geholt und nach zwei Meuchelmorden hatte ich folgende Eingebung:
– Tolle Landschaft
– Im Auftrag unterwegs, den nächsten Boss zu finden und niederzumetzeln
– Längere Strecken bewältigt man am Besten auf einem Gaul
– Zwischendurch kann mal auf einen Aussichtspunkt klettern
– Man muss einen geeigneten Weg finden, den nächsten Boss aus dem Weg zu räumen
An was könnte das Erinnern? (Tip: fängt mit “Shadow” an und hört mit “Colossus” auf)
Vielleicht nur mein Eindruck- aber alles Andere scheint mir nur Füllmaterial, um das Spiel in die Länge zu ziehen (Fahnen, Türme, Leute, Wachen, usw.)
Shadow ZELDA Colossus?
Man sieht, die Umsetzung der Story und des Gameplay haben (eigentlich) nichts miteinander gemein…
AC2 wird ja momentan überall gehyped. Bei mir war das Spiel gar nicht so richtig auf dem Radar. Es scheint, als hätte Ubisoft sich den spielerischen Problemen angenommen und die schon im ersten Teil großartige Welt noch besser mit Leben gefüllt. Ich glaube ich weiß, was ich über die Weihnachtsfeiertage spiele.
Ich denke mal, dass viele Leute nicht besonders gespannt auf AC2 sind. Das ist die Quittung für den Mega-Hype um den ersten Teil, der dann letztendlich gar nicht soooo toll war…
AC ist für mich ein ganz klarer “interessiert mich nicht im Ansatz”-Kandidat… nicht zuletzt wegen der Hype-Machine (ein klares Zeichen für “Hochglanz-Crap”) und was ich so im M! quergelesen habe, braucht man Teil 2 nicht anpacken wenn man schon von Teil 1 nicht sonderlich angetan war. Die entscheidenden Kritikpunkte hat man wohl wieder nicht bis zum Schluß korrigiert und nur abgemildert, dafür merkt man aber überdeutlich das Rom gestrichen worden ist.
Irgendwie hätte ich mal wieder Lust auf ein Spiel bei dem man tatsächlich das Gefühl hat, es wäre eine in sich runde Sache… Brütal Legend scheitert da ja leider auch recht heftig.
Bis jetzt verkauft sich AC2 wohl aber sogar besser als sein Vorgänger zur selben Zeit^^.
@Ove Gamer:
[url]www.polyneux.de/archiv/8-kanes-creed-skate-club-ii.html[/url]
Letzter Absatz. 2 Dumme, ein Gedanke.
mal ein feedback von jemandem, der ac2 auch tatsächlich spielt: ich hab zwar “erst” vielleicht 60% durch, aber dabei sind auch bereits 15-20 stunden draufgegangen. ac2 ist in jeder hinsicht besser als der vorgänger, es geht spielerisch diemal auch mehr in richtung rpg. mit aulbath’s worten: eine runde sache – runder sogar noch als batman arkham asylum, auch weil sehr viel umfangreicher. und da dieses jahr wohl nix großartigeres mehr kommt (“saboteur” vielleicht…) ist ac2 mein “goty”.