Es ist kein leichtes Unterfangen, ein Persona-Spiel durchzuspielen. In Sachen Spiellänge toppt die Shin Megami Tensei-Subreihe noch beinahe jedes Yakuza-Spiel und ganz sicher jedes Final Fantasy. Noch mehr Elan erfordert daher das gleich doppelte Durchspielen ein und desselben Titels: Wer verbringt schon gerne geschlagene 240 Stunden in derselben Spielwelt? Das sind 10 Tage! Ohne Schlaf! Und auch wenn jeder MMO-Junkie nun im Hintergrund leise kichert, selbst für mich ist das eine Menge. Doch Persona 5 ist eines der bemerkenswertesten Spiele, die ich kenne, und auch wenn ich nicht alles daran mag und es schon gar nicht seinen direkten Vorgänger Persona 4 vom Spielehimmel holt, so stand ich der neuveröffentlichten Version Persona 5 Royal mit ihren Zusatzinhalten und Überarbeitungen doch aufgeregt gegenüber. Nun, da mein versionenübergreifender Persona 5-Timer die 200 Stunden endlich überschritten hat, kann ich mich zu einem Urteil hinreißen lassen. Ich möchte mit absoluter Überzeugung sagen: Persona 5 Royal ist die beste Version von Persona 5, die es gibt. Weniger euphorisch muss ich mich jedoch darüber äußern, ob es auch der beste Re-Release ist, den Persona 5 hätte haben können.
I should write something
Denn es lässt sich nicht abstreiten: Während alles, was an Persona 5 gut und toll war, jetzt super und großartig ist, bleibt all das, was an Persona 5 schlecht war, in Persona 5 Royal ebenso mies. Nicht schlechter, aber doch genauso schlecht. Und das ist schrecklich schade, schließlich hätte diese neue Version reichlich Gelegenheit gehabt, Dinge zu ändern, die im Vorhinein heftig kritisiert worden sind. Stattdessen versucht Royal, durch mehr Inhalt und ein tieferes Eintauchen in das Rahmenthema des Spiels besser zu sein. Das klappt an vielen Stellen, etwa mit den neuen Figuren Kasumi und Maruki, die – als überfordertes Leichtathletik-Talent und als Psychotherapeut – sehr gute neue Akzente in der Crew von der Gesellschaft ausgestoßener Rebellen setzen. An anderen jedoch wiederum nicht – und als jemand, der über elf Monate an Persona 5 genagt hat, komme ich nicht umhin, diese stellen ganz besonders wahrzunehmen. Denn obwohl ich dank des Überspringen-Buttons deutlich schneller durch Persona 5 Royal komme als noch durch Persona 5, weil sich so viele Szenen schlicht nicht geändert haben, ist die Langeweile der Repetition doch mein ständiger Begleiter auf der wunderschön designten Reise durch das Unterbewusstsein von Tokyo.
Take your time
Wer Persona 5 bereits einmal durchgespielt hat und nun Royal eine Chance geben will, dem oder der wird der folgende Satz kalte Schweißperlen auf die Stirn treiben: Weder Pacing noch Spielzeit haben sich auf irgendeine Art verändert. Royal ist immer noch 120 Stunden lang. Und genau wie in der Ursprungsversion würde auch in Royals Geschichte niemand die mittleren drei – von immerhin sieben – Dungeons und ihre Rahmenhandlung vermissen. Sicher, sie sind wichtig für die gegebene Struktur des Spiels, da pro Dungeon nur ein neues Teammitglied beitreten darf und da es frei nach Dante Alighieris Divina Commedia nun einmal sieben Todsünden im kollektiven Unterbewusstsein der Gesellschaft Tokios zu bezwingen gilt, und nicht vier. Doch was ich mir von Royal erhofft habe war kein Pflaster, das versucht, die vorhandene Struktur durch leicht veränderte Rätselpassagen zu verbessern, sondern ein Bruch mit dem Gerüst, das sich als hinderlich erwiesen hat. Die Todsünden-Struktur hat wenig mehr Sinn, als die Ästhetik des Spiels zu untermauern: Der Endgame-Dungeon ist immerhin visualisiert wie das berühmte Botticelli-Gemälde zu Dantes Inferno; in der Geschichte ist sie aber kaum verankert.
Let’s do it
Nein, die Struktur seines Spiels hat Persona 5 Royal nicht verändert, und es wird genau damit wohl oder übel wieder dieselben Menschen abstoßen, die auch Persona 5 keine Chance geben wollten oder es aufgegeben haben. Doch ich muss dem Spiel zugute halten, dass es doch zumindest seine Mechaniken soweit wie möglich verfeinert hat, um der anstrengenden Struktur ein wenig die Härte zu nehmen. Schusswaffen besitzen nun keine begrenzten Magazine mehr – ein Umstand, der in der Welt von Persona 5 ohnehin nie Sinn machte – wodurch das effektive Kämpfen nicht mehr voraussetzt, alle paar Minuten den Dungeon zu verlassen und somit wertvolle Tage auf dem Ingame-Kalender zu opfern. Bessere Einbindungen von Zustandsveränderungen wie Schlaf und Verbrennung sowie Team-Attacken, die bei besonders guter Zusammenarbeit der Charaktere ausgelöst werden, machen Persona 5 Royals Kampfsystem zu einem der besten rundenbasierten JRPGs, die es gibt. Dazu kommen neue Optionen, Figuren aufzuwerten – von der Effektivität ihrer Zusammenarbeit über die Stärke ihrer Folgeangriffe lassen sich die Teammitglieder nun endlich deutlich stärker modifizieren. Auch die Fusionen, die wohl den stärksten Reiz an Personas einzigartigem Monsterfang-System ausmachen, wurden enorm verbessert. Und was wohl die wichtigste neue Funktion des Spiels ist: Morgana, die unendlich nervige Tutorial-Katze, verbietet dem Protagonisten nun nicht mehr, abends bestimmte Aktionen durchzuführen. Das Meme-gewordene “Let’s not do that today” ist schlicht nicht mehr Teil des Spiels.
All das bringt mich zu meinem Eingangs-Statement zurück: Alles, was an Persona 5 toll war, ist in Persona 5 Royal noch besser geworden. Was das schlechte Pacing und die monotone Wiederholung in Persona 5 Royals Spielstruktur angeht, so konnte ich mir doch den einen oder anderen genervten Seufzer nicht verkneifen. Insgesamt haben mich die verbesserten Kampfmechanismen und die Komfortfunktionen beim Monstersammeln aber erneut bis zum Ende und zu den neuen Story-Anteilen, die sehr, sehr spät im Spiel erst angeschnitten werden, getragen.
Mechanisch und optisch ist Persona 5 Royal eines der besten Spiele seines Genres, insbesondere, wenn man sich vorher nicht bereits in Persona 5 durch dieselben Dungeons gekloppt hat. Meine wirklichen Probleme habe ich mit etwas ganz, ganz anderem: Der Erzählweise des Spiels.
Let’s not do that today
ATLUS’ Lokalisationsteams haben sich erst kürzlich viel Lob eingeholt, indem sie das Remaster von Yakuza 3 um Funktionen erweitert haben, die zuvor im Westen herausgeschnitten waren. Viel besser noch: Sie haben transphobe Queststränge schlicht aus dem Spiel entfernt und öffentlich für die vorherige Implementierung beleidigender Stereotype um Verzeihung gebeten.
Für Persona 5 Royal hat sich ATLUS ähnliches vorgenommen. Bestimmte kritische Textstellen wurden verändert, ohne ganz entfernt worden zu sein. Die berüchtigte Sequenz, in der eines der minderjährigen Teammitglieder von zwei aufdringlichen, als ‘tuntige’ Stereotype gezeichneten Homosexuellen belästigt wird, ist das beste Beispiel. In Royal haben die beiden einen leicht anderen Dialog, der den Teenager nun nicht mehr direkt ins Bett, sondern zum Crossdressing bewegen soll. Die Assoziation mit queerfeindlichen Stereotypen bleibt vorhanden, auch die bedrohliche Bedrängungssituation ist die gleiche. Statt Homosexueller stehen nun aber Crossdresser und Transpersonen im Mittelpunkt des Spotts. Damit erweist sich ATLUS einen Bärendienst. Denn zum einen zog das Persona-Team schon in Persona 4 und Catherine heftige Kritik bezüglich der Darstellung von Transgender-Personen auf sich, der Druck zur Besserung wäre also vorhanden gewesen. Zum anderen besitzt Persona 5 eigentlich mit Lala Escargot bereits eine hoffnungsvoll okaye, crossdressende Nebenfigur, deren positive Implikation hiermit vollends zunichte gemacht wird. “Verbesserung” würde ich die Veränderung also nicht nennen. Die Szene hat zudem nicht einmal Relevanz für die Geschichte des Spiels oder auch nur den Kontext der Szene, außer, dass sie im Rotlichtviertel Tokyos spielt – nachdem das Team seinen dortigen Auftrag, eine Bar zu untersuchen, bereits ausgeführt hat. Sie soll als Comic Relief dienen und zu diesem Zweck ist sie wohl auch behalten worden. Gut getan hätte es dem Spiel sicher, solche Szenen einfach zu streichen.
Misslungene Comic Reliefs sind ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch Persona 5 (und leider auch Royal) zieht. Fast jede Animesequenz im Verlauf des Spiels beinhaltet einen Moment, in dem die männlichen Protagonisten Ann Takamaki, einem der weiblichen Teammitglieder, in den Ausschnitt oder unter den Rock schauen. Ann ist Halbamerikanerin, blond und ihr Körper entspricht westlichen Modelmaßen, sie wird daher im Verlauf des Spiels immer wieder als exotisches, begehrenswertes Objekt zwischen den anderen, japanischen Figuren herausgestellt. Dieser Umstand stellt gar den ersten Verbrecher heraus, den die Phantom Thieves in Persona 5 und Royal ins Visier nehmen: Der Sportlehrer, der Ann erpresst und zum Sex zwingen will, ist einer der eindrücklichsten Antagonisten im Verlauf des Spiels. Dass Ann also gemeinsam mit anderen weiblichen Charakteren wie der noch deutlich jüngeren Futaba das gesamte Spiel über als Eye Candy inszeniert wird, ist absurd. Es leuchtet mir vollkommen ein, dass Teenager eine hübsche Teenagerin anstarren, wenn sie einen Bikini trägt. Dass aber die Kamera für die Lustbefriedigung männlicher Spieler selbst in den Ausschnitt und auf die Oberschenkel einer Figur zoomt, deren gesamte Charakterentwicklung daraus besteht, nicht mehr sexualisiert werden zu wollen, ist schlichtweg beleidigend. Auch japanische Videospiele, die diesen Tropus oft noch unbedacht bedienen, könnten hier längst weiter sein; von ATLUS und seiner Flaggschiffreihe erwarte ich es heute geradezu. Royal hätte hier die Chance gehabt, nachzubessern, begnügt sich aber mit Lippenbekenntnissen, die gerade gut genug sind, ein paar wohlwollende Pressemeldungen zu erzeugen.
You never took my heart
Ich hätte mir mit Persona 5 Royal das Epos der Persona-Reihe gewünscht, das unumstößliche Meisterwerk für die nächsten 10 Jahre, bis Persona 6s zweite Version herauskommt und Royal von seinem Thron in den wohlverdienten Ruhestand schickt. Stattdessen habe ich nicht mehr Gefühle für Royal wie für das originale Persona 5 – und diese Gefühle sind zwar im Mittel positiv, aber doch immer von der Frage belastet, ob das nicht alles irgendwie besser gegangen wäre. Wer noch nie ein Persona-Spiel gespielt hat, dem empfehle ich zum Einstieg Royal, aber nur aus einem Grund: Das deutlich bessere Persona 4 Golden gibt es eben leider nur auf der besten vergessenen Konsole aller Zeiten, der zu Grabe getragenen PlayStation Vita.
3 Kommentare
Ich würde das Spiel ja gerne für die Switch haben. ;-)
Aber SP ist noch “Mangelware”? Da passt das doch eigentlich auch zur Spielmechanik, dass man noch eine weitere Ressource hat, die man nur schwer regeneriert.
Katze?
Aber nimmt man dadurch den Spielern nicht die Möglichkeit das für sich zu reflektieren?
Wäre die Sequenz “akzeptabel”/”besser”, wenn da zwei Heterosexuelle bspw. Ann oder Futaba belästigen würden?
Das “tuntige” Figuren als Sexpests dargestellt werden ist leider ein alter Trope in japanischen Medien. Man denkt nur mal an die Figur des Puri-Puri-Prisoner aus One-Punch Man. Man kann nur hoffen, dass sich das bald überholt hat.
Gibts Persona 4 Golden nicht auch auf Steam???
https://store.steampowered.com/app/1113000/Persona_4_Golden/
Der Artikel kam knapp einen Monat vor dem Release von P4G auf Steam heraus. Inzwischen ist P5R u.a. für die Switch erschienen und auch P4G und P3P sind angekündigt.
Nach dem Besuch eines Palastes oder Mementos nervt Morgana (bzw. das Spiel) immer noch damit, dass man sich besser ausruhen sollte, wobei man zwar noch sehr limitierte Möglichkeiten hat, etwas zu tun (Buch lesen, DVD schauen), aber Wäsche waschen schon wieder zu aufregend wäre.
Und was die regenerierende Schußmunition angeht: Ich bin jetzt mitten im 4. Palast und nutze die Waffen trotzdem kaum. Mal zum SP sparen bei Gegnern, die deutlich unter dem aktuellen Level sind und Resistenz auf normale physische Angriffe haben. Eventuell falls es die einzige Gegnerschwäche ist.