Es wird ja immer gesagt, dass der Egoshooter das bestimmende Videospiel-Genre der 90er-Jahre war. Auf gewisse Weise stimmt das auch, aber die 90er waren auch das Jahrzehnt der Echtzeitstrategie-Spiele. Fast jeder spielte Command & Conquer, Warcraft, Starcraft und Age Of Empires, um nur ein paar der bekanntesten Serien zu nennen. Auch ich liebte RTS und mag sie bis heute. Allerdings ist es in den letzten 20 Jahren deutlich ruhiger im Genre geworden und richtige RTS-Knaller sind selten.
Eine der wenigen Serien, die es geschafft hat, sich in das neue Jahrtausend zu retten, sind die Homeworld-Spiele. Das erste Homeworld von Relic Entertainment erschien 1999 und unterschied sich vom Rest der RTS-Bande, weil es im Weltall spielte und, anders als z.B. Starcraft, auch wirklich den dreidimensionalen Raum verwendete. Das war deutlich schwierigen zu bedienen als die ganzen 2D-Kollegen, aber wenn man sich durch die „Einarbeitungsphase“ gekämpft hatte, wurde man auch reichlich belohnt: Ein super-schickes Raumschlacht-Epos, das seine Story bei einer der coolsten 70er-Jahre-SciFi-Serien mehr oder weniger geklaut hatte. – Der Planet Kharak wurde zerstört und dem kläglichen Rest einer ganzen Zivilisation bleibt nichts anderes übrig, als sich auf die Suche nach einer geheimnisvollen Heimatwelt zu begeben, von der sie einst kamen. Und der Kern ihrer Flüchtlingsflotte ist ein gigantisches Raumschiff namens… , nein nicht Battlestar Galactica, aber ihr seht, woher die Inspiration kam. Und irgendwie machte das für mich auch den Hauptreiz des Spiels aus. Es gab endlich, noch einige Jahre vor Ronald D. Moores TV-Remake, ein cooles Battlestar Galactica-Spiel, nur dass es eben nicht so hieß.
Und weil ich nicht der einzige war, der das mochte, folgten im Laufe der Jahre die Stand-Alone-Erweiterung Homeworld: Cataclysm (Barking Dog Studios, 2000), Homeworld 2 (Relic Entertainment, 2003) und das 2D-RTS-Prequel Homeworld: Deserts of Kharak (Blackbird Interactive, 2016). Und die waren auch alle sehr gut!
Was also sollte schiefgehen, wenn Blackbird Interactive nun auch Homeworld 3 machen, zumal hier ja einige der damaligen Homeworld-Entwickler arbeiten? Nun, eigentlich nichts, aber irgendwie hat HW3 bei mir nicht so gezündet, wie ich es erhofft hatte…
Zunächst muss ich betonen, wie absolut schick das Spiel aussieht. Vorausgesetzt, man hat die entsprechende Hardware, denn wenn in späteren Missionen Unmengen von Schiffen aufeinander losgehen und ihre Laser, Torpedos, usw. rausrotzen, kann die Framerate in höheren Einstellungen gerne mal ins Bodenlose fallen, wenn man keinen leistungsstarken PC hat. Aber auch mit mittleren Details sind die Raumschlachten immer noch eine Pracht. Akustisch untermalt wird das Ganze auf gewohnt hohem Niveau von Serienurgestein Paul Ruskay, der schon das Sounddesign aller bisherigen Homeworld-Spiele übernahm.
Zu Beginn des Spiels wird man gefragt, ob man die klassische Steuerung der Vorgänger oder eine neue, zeitgemäßere haben möchte. Weil ich schon seit 20 Jahren kein 3D-Homeworld mehr gespielt habe, entschied ich mich für die mutmaßlich bessere, weil modernere Steuerungsmethode. Ich habe anschließend nicht mehr gewechselt, um beide Arten zu vergleichen, aber was soll ich sagen: Es war auch mit der „modernen Steuerung“ gefühlt genau wie damals, als man sich anfangs etwas reinfuchsen musste, bis man das Spiel wirklich unter Kontrolle hatte. HW war und ist allein schon deshalb nichts für jeden. Eine wirkliche Verbesserung des Handlings kann ich HW3 auf jeden Fall nicht attestieren. Grundsätzlich ist das kein direkter Kritikpunkt, aber jetzt kommt’s:
Die Kampagne ist nur etwa 8 bis 10 Stunden lang! Das bedeutet, dass genau dann, wenn man das Gefühl hat, jetzt richtig drin zu sein, auch schon bald der Abspann rollt. Selbstverständlich bietet HW3 noch allerlei Multiplayer-Gedöns, aber der interessiert mich leider nicht. Die Kampagne fühlt sich auch sonst eher wie ein langes Tutorial an, weil man die richtig dicken Pötte, wie z.B. die Schlachtschiffe, erst ab der vorletzten Mission bauen kann. Rein spielerisch hatte ich insgesamt das Gefühl, einen coolen Pilotfilm zu einer Serie zu spielen, die dann aber kurzerhand vom Sender gestrichen wurde. Du hast dich gerade an das Setting und die Figuren gewöhnt, durchaus Bock auf mehr, und dann stehste da…
Storymäßig hat mir die Kampagne sogar ganz gut gefallen. Einige Reviews kritisieren, dass die Geschichte von HW3 „zu klein“ wäre. Ja, es geht dieses Mal nicht ums Ganze, ums Überleben eines ganzen Volkes auf der Flucht. Auch wenn einem das Spiel verkaufen will, dass es um das Wohl der ganzen Galaxie geht, spielen wir hier eine verhältnismäßig eng umrissene Geschichte, die nicht mehr diesen BSG-Vibe der ersten beiden Hauptspiele hat. Trotzdem hat sie mich sehr gut unterhalten und fügt sich meiner Meinung nach ebenso gut in das HW-Universum ein, wie das 2D-Prequel von 2016. Und wenn man als Kenner der Reihe ehrlich ist, hat noch kein HW-Teil seine Geschichte so aufwendig präsentiert. Zwischen den vielen schönen Zwischensequenzen in HW3 und den narrativen Dia-Shows der Vorgänger liegen Welten. Wenn das nur alles nicht so kurz wäre…!
Ein weiterer persönlicher Kritikpunkt ist vielleicht nur eine Kleinigkeit, aber an die musste ich während der Kampagne immer wieder denken: Zu Beginn des Spiels erleben wir den Stapellauf unseres Mutterschiffs, der Khar-Kushan. Und da fielen mir direkt die komischen Größenverhältnisse auf. Unser stolzes Schiff fliegt nämlich direkt nach dem Start an viel größeren Frachtschiffen vorbei. Auch später treffen wir auf riesige Strukturen und Wracks, die alle viel, viel größer als unser Mutterschiff sind. Was ist denn da passiert? Zu heiß gewaschen und eingelaufen? Irgendwie hat mich das über die ganze Spielzeit hinweg sehr irritiert, vor allem, weil es für mich diesen HW-typischen Galactica-Unterton konterkariert. Im Vergleich zu den vorherigen Mutterschiffen, wirkt die Khar-Kushan schon fast popelig. Interessanterweise nie im Vergleich zu den anderen Schiffen in der eigenen Flotte oder den Gegnern. Die „Verzwergung“ des Mutterschiffs resultiert in erster Linie aus den schmückenden Set Pieces drumherum, den riesigen Handelsschiffen beim Start oder den gigantischen Portalanlagen. Immerhin erklärt die Story den Ursprung der riesigen Hypersprungportale, aber trotzdem nimmt es dem Dreh- und Angelpunkt unserer ganzen Bemühungen, dem Mutterschiff, einen Teil seiner majestätischen Präsenz, die ich persönlich in den Vorgängern immer besonders reizvoll fand.
Homeworld 3 ist insgesamt ein wirklich gelungenes Echtzeitstrategiespiel, das ich aber zum vollen Preis nur Leuten empfehlen kann, die auch Bock auf den Multiplayer haben. Wer, wie ich, eigentlich nur die Kampagne spielen möchte, sollte eher auf kommende Sonderangebote warten, bis die persönliche Preisleistungsgrenze für eine sehr gute, aber maximal zehnstündige Spielzeit erreicht ist. Und selbst dann bleibt da noch der Punkt, dass sich ein Spiel, das von den meisten Spielern schon etwas Einarbeitungszeit fordert und dann so kurz ist, am Ende ein wenig unbefriedigend anfühlt, egal wie gut es ist…
2 Kommentare
Schöne Review!
Ich hatte vor Jahren mal Deserts of Kharak gespielt (billig für nen 5er), und es war schon echt filmreif und prachtvoll. Wurde mir aber schnell zu schwer, woraus ich folgere, dass ich immer noch genau so schlecht in RTS-Spielen wie in den 90ern bin. Aber es reizt mich doch jedesmal…
Ha! Ein Text zu Homeworld 3, wie konnte ich den nur übersehen?
Ich war selbst sehr erfreut, dass HW3 jetzt endlich rauskam und man nach der Demophase auch nochmal an die Steuerung ran gegangen ist.
Hab direkt zum Vollpreis zugeschlagen und war auch nicht enttäuscht; ich würde auch gern weiter den Quasi-Rogue-Modus spielen aber mit meiner Rechner macht das dann leider doch nicht ganz so viel Spass.
(bin überall SEHR knapp über den Mindestanforderungen…)
Für die Kampagne hats gereicht aber es war leider nicht so hübsch wie es sein könnte (und es kann SEHR hübsch sein).
Und ja, die Kampagne war relativ kurz aber das Gefühl, dass hier zu wenig drin war kommt meiner Meinung nach von etwas Anderem: Die geskripteten Sequenzen, die man aus früheren HWs ja schon kennt, sind einfach zu schnell aufeinander folgend und treten in einer Häufigkeit auf, dass ich schon sehr durch die Aufgaben gehetzt werde.
Mir fehlte einfach die Möglichkeit zwischendurch mal Luft zu holen, Schiffe nachzuproduzieren, neue Ressourcengebiete zu aquirieren und auch mal etwas im Level rumzuscouten.
Dieses gewollt schnelle und storyfokussierte Gameplay hat auch dazu geführt, dass ich nie wirklich ein Gefühl für meine Kampfschiffe bekam, Formationen und Gruppen schnell ins Nebentreffen gerieten und man einfach alle Einheiten gegen den Gegner geworfen hat (Gruppen(neu)zuweisungen und die Koordination dieser waren extrem fitzelig zu handlen) mit regelmäßiger Nutzung der Spezialfertigkeiten.
Alles in Allem war HW3 toll aber mit viel verschenktem Potential.
Das taktierende Vorgehen welches die Vorgänger ausmachte wurde leider etwas zu oft einem schnellen Pacing geopfert. (und ich hätte auch mit ein paar weniger Kamerafahrten über Imogens Arsch leben können)
P.S. ballistische Projektilberechnungen wären noch toll gewesen ;-)