Für manche scheint es der letzte Nagel in Biowares Sarg zu sein, für andere nichts weniger als das Spiel des Jahres und eines der besten Bioware-Spiele seit langer, langer Zeit: Dragon Age Inquisition. Was es für mich ist, kann ich nach bisher 45 Stunden in Thedas noch nicht sagen. Ich habe keine Ahnung, wie umfangreich Inquisition insgesamt ist, wieviel schon hinter und wieviel noch vor mir liegt. Spiele bespreche ich am liebsten erst, wenn ich sie durchgespielt habe, und gerade bei Bioware bin ich nach Dragon Age 2 und Mass Effect 3, die beide meines Erachtens im Finale die Kurve nicht ganz gekriegt haben, vorsichtig. Dennoch weiche ich hier von dieser Regel ab, denn es zeichnet sich ab, dass Inquisition mein Spiel dieses Winters wird. Im Moment möchte ich jede freie Minute im dritten Dragon Age verbringen, seine Welt und seine Geschichte in aller Ruhe bis in den letzten Winkel erkunden. Bis ich das Finale erreiche, kann es noch ein wenig dauern.
Versuchen wir uns also an einem Zwischenfazit.
Raus aus den Hinterlanden!
Mich würde interessieren, wie die erste Stunde von Inquisition auf jemanden wirkt, der die beiden Vorgänger nicht gespielt hat, denn selbst für mich, der ich die vorangegangenen Teile gut kenne, geht hier alles viel zu schnell. Konklave! Grünes Licht! Dämonen! BÄM! Inquisition! ZACK! Ehe man sich versieht, steht man als Hoffnungsträger einer wieder neu ins Leben gerufenen Organisation mit fragwürdiger Vergangenheit buchstäblich im Wald. In den Hinterlanden.
Das ist nicht so missglückt, wie es klingen mag, denn die Verwirrung, die man als Spieler hier empfindet, ist auch die Verwirrung der Figur, die man spielt. Vieles davon klärt sich in den nächsten Stunden auf, zumindest wenn man die angebotenen Gesprächsoptionen mit den übrigen Hauptcharakteren auch nutzt. Gezwungen wird man dazu freilich nicht.
In den Hinterlanden angekommen, kollidiert die Erwartungshaltung mancher Spieler allerdings massiv mit dem Spielaufbau von Inquisition. Im ersten Teil, Origins, konnte man zwar durchaus wählen, in welcher Reihenfolge man einzelne Storyblöcke, einzelne Gebiete des Spiels anging, aber wenn man erst einmal irgendwo angereist war, erledigte man die Aufgaben dort meist komplett, bevor man weiterzog. In Redcliffe wurde man hart dafür bestraft, wenn man sagte: „Jungs, ich will euch ja helfen, aber ich muss erst noch etwas anderes anderswo erledigen.“ Kam man später zurück, war in Redcliffe niemand mehr am Leben. Man ist als Dragon-Age-, aber auch als Mass-Effect-Spieler darauf getrimmt, Gebiete in einem Rutsch abzuhaken und später nicht mehr zurückzukehren.
Die Hinterlande dagegen sind ein riesiges Gebiet. Sie haben, nehme ich an, für sich genommen schon mehr Landmasse als Dragon Age 2. Sie sind ein zentrales Gebiet des Spiels, dazu designed, dass man im Verlauf der Geschichte immer wieder dorthin zurückkehrt. Inquisition hat massive Anleihen nicht nur bei Skyrim, sondern auch bei Assassin’s Creed. Wie es für ein Ubisoft-Open-World-Spiel typisch wäre, ist die Landkarte im Nu zugepflastert mit Symbolen für alle möglichen kleinen Sammelquests, die für Biowares Verhältnisse oft relativ storybefreit präsentiert werden.
Man muss die aber nicht alle erledigen. Schon gar nicht sofort!
Die erste Hauptmission in den Hinterlanden ist in wenig mehr als einer halben Stunde abgehakt. Zieht weiter! Die vielen negativen Bewertungen bei Metacritic und Amazon von Leuten, die nach zwölf Stunden immer noch in den Hinterlanden festhängen, weil sie dort zwanghaft alles erledigt haben wollen, sich aber über die Qualität der Hauptstory beklagen, von der sie bisher praktisch nichts gesehen haben, tun weh. Nicht nur, weil sie keinen guten Eindruck vom Spiel vermitteln, sondern weil hier wahrscheinlich der eine oder andere ein Rollenspiel frühzeitig zur Seite legt, dass ihm hätte gut gefallen können.
Und kommt mir nicht damit, dass Bioware das früher besser gekonnt hätte. Ihre Spiele sind bekannt dafür, nach rasanter Einleitung erst einmal tüchtig auf die Bremse zu treten. In Mass Effect kamen nach dem Prolog die völlig entschleunigten Citadel-Quests. Selbst in Baldur’s Gate 2 war das zweite Kapitel im Vergleich zu den übrigen maßlos überdimensioniert, weil hier ein Großteil der Nebenquests des gesamten Spiels verfügbar wurde. Selbst hier, beim Heiligen Gral vieler Bioware-Fans, war es möglich, sich für dutzende Stunden vollständig von der Hauptquest abzukoppeln.
Schade finde ich trotzdem, dass das Herumreisen zwischen den einzelnen Gebieten in Inquisition nicht nur möglich, sondern auch häufiger nötig ist als noch in Origins. Die Reiseroute wird nicht mehr auf der Landkarte skizziert, es gibt keine zufälligen Banditenüberfälle oder ähnliches. Zumindest hatte ich noch keine. All das gab es in Baldur’s Gate und Origins nicht grundlos: Es unterstützte die Illusion, dass zwischen den Spielzonen eine ganze Welt existiert.
AWESOME!!
Mit dem Kampfsystem habe ich erst nach fast zwanzig Stunden halbwegs meinen Frieden gemacht. Auf dem normalen Schwierigkeitsgrad kommt man im Actionmodus, in dem man nur jeweils einen der vier Charaktere steuert und die übrigen der KI überlässt, gut durchs Spiel. Auf höheren Schwierigkeitsgraden möchte man doch öfter in den Taktikmodus schalten, die Sicht schräg von oben, die bewährte Baldur’s-Gate-Gedächtniskamera. Ich habe die PS4-Version gespielt, dort wechselt man mit dem Touchpad zwischen den Modi hin und her. Im Taktikmodus ist das Spiel standardmäßig pausiert und läuft nur dann weiter, wenn man den rechten Trigger zieht.
Leider komme ich mit diesem Modus überhaupt nicht klar. Man kann bei weitem nicht weit genug herauszoomen, um wirklich eine Übersicht über das Schlachtfeld zu haben. Wenn man zwischen den Charakteren der eigenen Gruppe hin- und herwechselt, fährt die Kamera immer zum neu ausgewählten Mitstreiter. Möchte ich alle vier Kämpfer mit handverlesenen Zaubern oder Fähigkeiten auf denselben Gegner schicken, fahre ich die Kamera auf den Gegner, und wenn ich dem nächsten Charakter seine Befehle geben will, schnappt sie wieder zurück und ich muss den Gegner erneut ins Blickfeld holen. Das Problem ist natürlich auch hier der viel zu geringe Zoom, aber dieses ständige, schnelle Hin- und Herfahren des Bildausschnitts zwischen meinen Gruppenmitgliedern und den Gegnern macht mich vollkommen fertig. Wie man das längerfristig ertragen kann und soll, weiß ich nicht. Man muss es auch dauernd wiederholen: Es gibt keine Möglichkeit, einem Gruppenmitglied mehrere Befehle zu geben, die es nacheinander abarbeitet.
Deshalb spiele ich im normalen Schwierigkeitsgrad und überwiegend im Actionmodus. Dass sich das trotzdem viel besser anfühlt als in DA2, liegt daran, dass es kein Autoheal zwischen den Kämpfen mehr gibt. Die Inquisition kann Lager an bestimmten Punkten in den einzelnen Gebieten errichten, dort kann man sich mit einer begrenzten Anzahl an Tränken ausstatten und dann – tja, dann muss man sehen, wie man klarkommt. Das gibt den Ausflügen in die Wildnis die kampfübergreifende Spannungskurve, die ich in DA2 so schmerzlich vermisst habe.
Es wäre natürlich aufregender, wenn man gefallene Gruppenmitglieder nicht während laufender Kämpfe jederzeit mit einem Knopfdruck wiederbeleben könnte, statt nur zwischen den Kämpfen. Wenn es im Gefahrenfall nicht so einfach wäre, einfach aus dem Einflussbereich der Feinde zu sprinten, weil gefallene Gruppenmitglieder kurze Zeit später wiedererweckt direkt neben einem spawnen.
Nach Divinity: Original Sin, in dessen Kämpfen Feuer und Eis, Wasser und Elektrizität physikalisch nachvollziehbar miteinander reagieren, fällt es umso stärker auf, wenn sich RPG-Kampfsysteme diese Interaktionen weitgehend sparen. Okay, diese Enttäuschung werde ich in Zukunft wohl noch bei einigen Rollenspielen verspüren, weil D:OS das einfach herausragend gelöst hat. Und ein paar wenige Kombos funktionieren in Inquisition ja auch: Das Duo aus Eiszauber und Axt sieht immer wieder schön aus. Man sollte nur nichts erwarten, was über Origins hinausgeht.
Unter dem Schutz der Inquisition
Nach ungefähr zwanzig Stunden trat all das für mich aber in den Hintergrund, weil sich das Spiel hier noch einmal deutlich öffnete. Frei aus dem Neogaf-Inquisition-Thread:
„Ich habe gerade Entscheidung XY getroffen, fühlt sich an, als käme bald das Ende?“
„Herzlichen Glückwunsch, du hast den Prolog fast geschafft.“
Natürlich ist Inquisition ein typisches Bioware-Spiel in der Hinsicht, dass der Spieler wieder einmal in die Rolle eines Auserwählten, eines, wie The Lego Movie so herrlich persifliert, „Besonderen“ schlüpft. Nach dem Wächter und dem Champion ist es dieses Mal der Herold. Wenn man mit dem Trope des Chosen One seine Schwierigkeiten hat, wird man auch mit diesem Bioware-Spiel nicht glücklich. Ich hab das ab und zu ganz gerne, zumal, wenn es gut gemacht ist.
Was Inquisition von seinen beiden Vorgängern unterscheidet, ist, dass der Held diesmal nicht als Einzelkämpfer, mit wenigen Freunden, zur Weltenrettung aufbricht, sondern eine ganz neue Fraktion im Machtgefüge Thedas’ aufbaut und deren Geschicke lenkt. Eine Fraktion, die sich, von ihrem Hauptquartier aus, Stück für Stück auch in den anderen vom Helden besuchten Zonen ausbreitet, beispielsweise die Sicherheit in den vom Krieg zwischen Magiern und Templern heimgesuchten Gebieten wieder herstellt. Man sieht das an optischen Veränderungen in den Zonen, man hört es in den Gesprächen der Einwohner. So richtig spürbar wird es aber erst nach besagter Storywendung nach etwa zwanzig Spielstunden, die ich hier nicht spoilern will.
Manches davon hat mich beeindruckt, anderes ist allerdings nicht optimal gelöst. Ähnlich wie in Assassin’s Creed: Brotherhood – wenn man sich schon bei AC bedient, dann wenigstens beim besten Teil – kann man auch hier Aufträge an seine Untergebenen verteilen und die Soldaten, Spione oder Diplomaten der Inquisition unabhängig von dem, was man als Inquisitor selbst erledigt, mit Aufgaben betrauen. Die stehen nicht für sich allein, sondern sind durchaus mit dem Rest des Spieles verwoben. Die Aufträge können neue Lehrmeister, Crafting-Möglichkeiten, Ausrüstung bringen, neue Gebiete freischalten oder zu neuen Quests für den Spieler führen, ebenso wie selbst erledigte Quests manchmal neue Aufträge für die Untergebenen freischalten.
Die Erledigung der Aufträge erfordert gerade später im Spiel viel Zeit. Der Witz dabei ist allerdings, dass diese Zeit auch abläuft, während man Inquisition gar nicht spielt. Ich gehe beim Ende einer Spielsession meist noch einmal an den Kartentisch zurück, verteile neue Aufgaben, die dann hoffentlich erledigt sind, wenn ich einen Tag später das Spiel wieder starte. Dann kann ich gleich neue Aufgaben verteilen.
Viele Aufträge dauern aber nur zehn oder zwanzig Minuten in Echtzeit! Neue Aufträge lassen sich nur im Hauptquartier vergeben. Auch das trägt dazu bei, dass man viel häufiger auf der Weltkarte hin- und herreist als in den Vorgängern.
Vergeben werden die Aufträge am Kartentisch, dargestellt durch kleine Pins auf einer Landkarte von Orlais und Ferelden. Ich finde das allerdings recht unübersichtlich. Was schon erledigt ist und was nicht, erkennt man nicht am Pin selbst, sondern erst am Text, der erscheint, wenn man mit dem Cursor über den Pin fährt. Oft sind die Pins so nahe beieinander, dass man sich auf der PS4 zum besseren Zielen eine Maus statt des Controllers herbeiwünscht. Kurz gesagt: Ich hätte ein einfaches Menü wie in Brotherhood – oder wie in Warlords of Draenor, wo Blizzard mit den Garnisonen ähnliches versucht wie Bioware hier, allerdings mit gänzlich anderem Ergebnis – dem Kartentisch vorgezogen. Und warum gibt es keine Möglichkeit, auch in den Feldlagern neue Befehle herauszugeben, statt nur im Hauptquartier?
Mit dem Crafting klappt das doch auch. Just in dem Moment, als ich mich darüber ärgern wollte, für das Craften jedes Mal in die Schmiede daheim zurückkehren zu müssen, taten sich andere Möglichkeiten auf. Das Craften funktioniert grundsätzlich sehr, sehr gut. Da man all die schönen Dinge nicht selbst herstellt, sondern dafür Schmiede, Arkanisten und Alchemisten hat, muss man seine Crafting-Fähigkeiten nicht langsam im Level steigern, indem man wie in Skyrim immer und immer wieder das gleiche Zeug herstellt. Man muss nur die Pläne für die Herstellung finden oder kaufen.
Natürlich braucht man dann auch noch die Materialien, die man durch Aufträge an Untergebene gewinnt, oder indem man sie schlicht in der Spielwelt sammelt. Rüstungen und Waffen werden jeweils aus mehreren Einzelkomponenten zusammengesetzt, die ihrerseits aus mehreren Arten von Metallen, Stoffen oder Leder gefertigt werden. Durch die Auswahl der verwendeten Materialien beeinflusst man nicht nur die Werte, sondern auch die Farbe der gefertigten Gegenstände.
Unterm Strich macht mir das weit mehr Spaß als das Craften in WoW oder in Skyrim. Auch die Gewichtung zwischen gecrafteten und gefundenen Gegenständen haut bisher gut hin: Bei mächtigeren Gegnern findet man leicht Beute, die die bisher gecrafteten Gegenstände toppt, aber mit einem Grundstock an selbst Hergestelltem fährt man spürbar besser als mit dem Standard-Loot.
Cassandra slighty approves
Dabei hilft, dass man neben dem eigenen Charakter auch eine ganze Reihe an Gefährten ausrüsten muss – bis zu neun, wenn man alle regelmäßig mit on tour nehmen will.
Das Team besteht, neben Cassandra und Varrik aus DA2, vor allem aus Neuzugängen. Leliana und Cullen schlagen den Bogen zu Origins, sind aber lediglich beratend tätig und lassen sich nicht im Team mitnehmen. Viele andere Bekannte aus beiden Vorgängern haben kleinere Cameos.
Für die Qualität der Gefährten liegt die Messlatte bei Bioware, nicht zuletzt nach Morrigan in Origins und Aveline in DA2, inzwischen verdammt hoch. Das setzt man in Inquisition fort: Selbst die Kollegen, die erst wie unspannende Blaupausen aussehen, wie Blackwall, der Graue Wächter, entpuppen sich als vielschichtige Charaktere. Ein paar kleine technische Verbesserungen am Dialogsystem entfalten dabei ungeahnt starke Wirkung: In die Gespräche, die die Gruppe ab und an während Abenteuern führt, kann man nun mit einsteigen. Leider verdammt selten, aber es funktioniert so gut, dass man es sich für zukünftige Bioware-Spiele häufiger wünscht.
In die unvermeidlichen Romanzen hat man diesmal mehr Aufwand gesteckt. Nichts mehr mit ein paar wenigen Dialogoptionen, ein paar Geschenken und einer intimen Szene zum Abschluss. Beziehungen werden geruhsamer und mit mehr Zwischensequenzen aufgebaut. Der größte Sprung entsteht aber dadurch, dass die Beziehungen nun stärker als Teil des jeweiligen Charakters denn als schlichtes Feature verstanden werden. Es sind nicht mehr, wie im Vorgänger, die meisten Charaktere bisexuell, damit der Spieler eine möglichst große Auswahl an Love Interests hat (ja, klingt rückblickend völlig bescheuert, war in DA2 aber wirklich so). Das Tolle ist: Die entsprechenden romantischen Gesprächsoptionen sind trotzdem erstmal für alle Charaktere verfügbar. Man kann mit jedem flirten. Erfolg nicht garantiert.
Das führte in meinem Fall dazu, dass sich Inquisitorin Evelyn Trevelyan erst vom meines Erachtens besten und tollsten Gruppenmitglied aller Zeiten einen Korb holte, eine Zeitlang erfolglos mit einem Magier flirtete und jetzt ab und an mit einem Templer herumknutscht. Ich kann mich nicht erinnern, in einem Bioware-Spiel schon einmal einen Korb kassiert zu haben, inklusive „Ich hoffe, wir können Freunde bleiben“ und allem, was sonst noch dazugehört. Herrlich!
Es leuchtet grün
Ein Urteil über die Hauptstory wäre verfrüht, zumal Evelyn ein klassisch rechtschaffen guter Charakter ist. Ein zweiter Durchlauf mit einem gewalttätigen, egomanischen Magier steht noch aus. Bisher habe ich allerdings den Eindruck, dass einen die Story in Inquisition fester in der Spur hält als noch in Origins. Ob man überhaupt einen im D&D-Sinne „bösen“ Charakter durchziehen kann, wage ich zu bezweifeln.
Davon abgesehen ist das, was ich bisher von der Geschichte gesehen habe, auf dem von Bioware gewohnten Niveau. Zumindest, sobald sich die Geschichte blicken lässt, denn das große Problem mit dem Open-World-Ansatz im Vergleich zu begrenzteren Spielewelten ist eben, dass man als Erzähler die Kontrolle über das Tempo der Erzählung weitgehend aus der Hand gibt. Man muss die große Welt mit irgend etwas füllen, und dann hat der Spieler nun einmal die Wahl, loszustiefeln und irgendwelchen Quatsch zu erledigen, statt der Hauptmission zu folgen, die man mit hübschem grünen Leuchten auf der Karte markiert hat.
Diesen Gegensatz zwischen storybasierten Spielen mit räumlich begrenzten Leveln und Open-World-Titeln wie Skyrim, das ein hübscher Spielplatz sein mag, dessen Hauptstory man dafür aber in der Pfeife rauchen kann, hielt ich bisher für kaum auflösbar. Inquisition bekommt den Drahtseilakt, Gutes aus beiden Welten zu verbinden, besser hin, als ich das für möglich gehalten hätte. Auch wenn man natürlich merkt, dass Bethesda mehr Erfahrung mit offenen Welten hat. Bioware erzählt Geschichten immer noch am besten über Texte und Zwischensequenzen und nicht so sehr über das Leveldesign.
Der Soundtrack ist leider kein großer Wurf. Trevor Morris hat bisher beispielsweise die Musik für die Tudors, für The Scorpion King 3 oder Death Race 3 geschrieben. In Dragon Age 3 kommt er dank tiefem Blech und einer absolut übermächtigen Schlagzeug-Fraktion mit verdammt wenig thematischem Material aus. Das einzige Thema, das wirklich hängenbleibt, weil es beispielsweise während der Parallelszene zu Lelianas Lied läuft, hat er aus Pippins Song aus dem Herrn der Ringe. Das Skyhold-Thema fällt vielleicht noch positiv heraus, das war es dann aber auch schon. Für ein Spiel dieses Umfangs ist das recht wenig.
Does it blend?
Und, ist Inquisition nun besser als der Vorgänger? Wieder so gut wie der Vor-Vorgänger? Fragen, die man in Bezug auf das neueste Call of Duty oder Assassin’s Creed sicherlich stellen und zufriedenstellend beantworten könnte, nicht aber in Bezug auf Dragon Age. Bioware liefert hier zum dritten Mal ein eigenständiges Spiel ab, in dessen Spielwelt man sich sofort zu Hause fühlen mag, das ansonsten mit seinen Ahnen aber nur begrenzt etwas gemein hat. Inquisition ist nicht besser oder schlechter als Origins, es ist vor allem anders. Was eine schlechte Nachricht für diejenigen ist, die ein verbessertes Origins erwartet hatten.
Typisch Dragon Age ist höchstens, dass es auch in Inquisition neben viel Licht auch viel Schatten gibt, für jedes liebevolle Detail irgendwo anders eine halbgare Lösung. Dafür, dass man in der PS4-Fassung einfach im Optionsmenü die Sprache des Spiels zwischen Deutsch, Englisch und Französisch umschalten kann, ohne die ganze Konsole auf eine andere Sprache umzustellen und gar das Spiel neu zu installieren, würde ich am liebsten jemanden knuddeln. Auf der anderen Seite kann man Dialoge und Zwischensequenzen immer noch nicht pausieren. Wer Kinder – oder auch nur ein Telefon – hat, wird das hassen. Das Spiel pausiert nicht einmal, wenn man über die Share-Taste Screenshots oder Videoaufnahmen machen will, sondern läuft unter der PS4-Oberfläche stummgeschaltet weiter. Man verpasst Dialog, wenn man Screenshots macht.
Das ist besonders deshalb schade, weil das Spiel so wahnsinnig hübsch ist, dass ich eigentlich alle drei Meter von irgendetwas Fotos machen will. Nachdem die Vorgänger beide nicht gerade für ihre Optik berühmt waren, ist das ein großer Schritt. Die recycelten Dungeons von DA2 sind ebenfalls Geschichte. Dafür hat man nun überlange Fetch-Quests und ein komplettes Reittier-System, bei dem ich mich ehrlich wundere, warum das überhaupt im Spiel ist. Die Viecher kann man eigentlich nur nutzen, wenn man möchte, dass die Gefährten unterwegs nicht mit einem reden, denn die lösen sich buchstäblich in Luft auf, sobald man auf den Rücken eines Pferdes steigt.
Bei Bioware hat man sich sehr bemüht, all die berechtigten Kritikpunkte an DA2 anzugehen. Was den Umfang und den Abwechslungsreichtum der Welt angeht, ist das gelungen. Ich habe nach 45 Stunden nicht den Eindruck, schon mehr als die Hälfte gesehen zu haben. Zu viel nicht Aufgedecktes schlummert noch auf der Landkarte. Mit DA2 war ich zu diesem Zeitpunkt bereits seit zehn Stunden fertig. Beim Kampfsystem ist die Generalüberholung weniger gelungen. Wer taktische Kämpfe in der isometrischen Ansicht mag, ist bei Original Sin weit besser aufgehoben.
Vor allem sollte man nicht erwarten, dass die Abkehr von manchen Aspekten von DA2 bedeuten würde, dass Inquisition insgesamt eine Rückkehr zu Origins wäre. Wenn man vor allem ein zweites, besseres Origins möchte, kann man hier nur enttäuscht werden. Ein Sargnagel, so viel kann man festhalten, ist Inquisition für sich betrachtet aber keineswegs. Das beste Bioware-Spiel seit langer, langer Zeit? Vielleicht. Fragt mich noch mal, wenn ich durch bin.
Bis dahin nicht vergessen: Raus aus den Hinterlanden!
9 Kommentare
Toll, jetzt hab ich Lust auf Inquisition. Wer gibt mir die Zeit dafür? ;)
Tja, ich schon mal nicht. Ich hab eigentlich auch keine. :)
Der Text macht mir richtig Lust auf das Spiel! Was sowohl gut als auch schlecht ist, weil ich mir die Zeit nehmen müsste, 3 Dragon Age Teile am Stück nachzuholen… das ist noch unrealistischer, als wenn es nur einer wäre ;).
Was mich an allen DA Spielen bislang gestört hat ist dieses übertriebene und übermäßige Feuerwerk in den Käpfen. Alles Blinkt, Blitzt expoldiert, Farben hier Farben da, reine Chaos.
Das nimmt dem Spiel immer die Atmosphäre…
@Kyle21: Ja, das ist auch in Inquisition wieder so. Wobei ich kein Problem mit dem Feuerwerk an sich habe, Blizzard-Spiele haben das ja auch und sind deutlich besser “lesbar”
@ZiB: Bei dir ginge es aber um die PC-Version, richtig? Ich habs auf der PS4 gespielt und kenn die PC-Fassung nicht aus eigener Erfahrung, Inquisition ist aber wohl ein Vollblut-Konsolenport und spielt sich auch auf dem PC besser mit Gamepad als mit Maus und Tastatur. :/
Zu den Vorgängern: Das hier ist ja nicht Mass Effect, wo du über drei Spiele hinweg dieselbe Hauptfigur spielst. Inquisition beginnt mit einem neuen Helden bzw. Heldin und die Handlung der Vorgänger bekommt man von NPCs oder über Briefe, Bücher, etc. erzählt. Es lohnt sich zwar, die Vorgänger zu kennen, ist aber nicht wirklich erforderlich.
Klasse. Endlich mal ne Rezi, mit der ich prima was anfangen kann. Bester Tipp! Tschüss Hinterlande.
Danke! :)