Wir schreiben das Jahr 1993. Ich hatte gerade meinen betagten AMIGA 500 gegen einen pfeilschnellen 486er DX2-66 ausgetauscht, weil man als Student schließlich einen PC braucht. Nur für die Uni, versteht sich! Der AMIGA und sein Vorgänger C64 waren zuvor selbstverständlich auch nur für die Schule angeschafft worden… Hahaha!
Eines der ersten PC-Spiele, die ich aus rein wissenschaftlichen Gründen für die Uni spielte, war das gerade brandneue Star Wars: X-Wing. Das Ding war technisch top, Weltraum-Simulationen (vor allem wegen Wing Commander) ohnehin gerade total en vogue und die Star Wars-Welt auch noch in Ordnung. 1993 gab es die Star Wars Trilogie. Punkt! – Naja, über die beiden Ewok-Filme und ein bisschen anderen Quatsch reden wir jetzt lieber nicht. – Es war jedenfalls eine Zeit, in der es noch nicht kontrovers bis absolut peinlich war, als Erwachsener Star Wars zu mögen.
Mit X-Wing und seinem schon 1994 folgenden Sequel Star Wars: TIE Fighter ging ein Nerd-Traum in Erfüllung: Man konnte selbst in den Schiffen sitzen und die ikonischen Raumschlachten dieses Kino-Universums nachspielen! Beide Titel waren allerdings reine Singleplayer-Angelegenheiten, was ich und meine Nerd-Freunde damals irgendwie schade fanden. Wie geil wäre es wohl, wenn man als Rebellen und Imperiale tatsächlich mit- und gegeneinander spielen könnte?! Und so war die Freude in der selbstverständlich komplett vernetzen Studenten-WG groß, als 1997 mit Star Wars: X-Wing vs. TIE Fighter ein reiner Multiplayer-Ableger der Reihe erschien.
Die Freude wich aber sehr schnell der Ernüchterung: X-Wing vs. TIE Fighter war technisch zwar echt klasse, aber schon nach wenigen Runden war klar, dass es auch total öde war. Es hatte überhaupt keine Story, keinen Rahmen, der es über die Mechanik hinaus interessant machte. Und noch schlimmer war, dass die Mechanik an sich auch nicht lange fesseln konnte. Dogfights im Weltraum sind spielerisch nämlich ziemlich unspannend. Alle fliegen immer nur endlose Loopings, um sich hinter den Gegner zu setzen bzw. zu verhindern, dass sich jemand hinter sie setzt. Das war im Vergleich zu den Ego-Shootern und Echtzeitstrategie-Spielen, die wir sonst so im LAN spielten, total langweiliger Quatsch. Und so verbuchten wir X-Wing vs. TIE Fighter schon nach wenigen Tagen einhellig als totalen Fehlkauf und widmeten uns wieder anderen, besseren Multiplayer-Spielen. – Zwei Jahre später kam dann „Star Wars: The Boring CGI-Adventures of Kid Vader“ (aka „Episode I“) in die Kinos. Danach war Star Wars für uns ohnehin nie wieder die unschuldige Nerd-Ikone, die es einst war…
Wieder in der Gegenwart. Als ich über die erste, noch sehr wage Ankündigung von Star Wars: Squadrons stolperte, war für mich sofort klar, dass es nur Mist werden konnte. Entweder ein total arcadig-anspruchsloser Shooter für die Star Wars-Kiddy-Crowd, vielleicht eine Art „VR Rebell Assault“, oder ein reines Multiplayer-Ranglisten-Dingens, mit dem Electronic Arts die Leute wieder über Ingame-Käufe und Loot-Boxen abzockt. – Geworden ist es aber keines von beiden…
Die etwa zehnstündige Singleplayer-Kampagne von Squadrons kann tatsächlich als direkter Nachfolger von X-Wing und TIE Fighter durchgehen. Schick und atmosphärisch präsentiert und spielerisch fast identisch mit den alten Simulations-Klassikern. Inhaltlich ist es (abgesehen von der Prolog-Mission) in der SW-Timeline direkt nach der Schlacht um Endor angesiedelt. Vader und der Imperator sind tot, aber der galaktische Bürgerkrieg noch nicht zu ende. Die Rebellen, die sich jetzt Neue Republik nennen, haben mit dem Geheimprojekt „Starhawk“ etwas am köcheln, das die noch verbliebenen Reste des Imperiums ein für alle Mal wegfegen könnte. Das wollen diese wiederum selbstverständlich verhindern.
Interessanterweise wechselt man im Laufe der Kampagne ständig die Seiten und kämpft mal als Vanguard Staffel auf Seiten der Neuen Republik, mal als Titan Staffel für das Imperium. Das ist einerseits ganz cool, weil man so quasi X-Wing und TIE Fighter in einem Spiel hat, aber in Sachen Spannungsbogen auch problematisch, weil man praktisch in vielen Missionen genau das wieder zunichtemacht, was man in der Mission davor gerade im Cockpit der anderen Seite erreicht hat. Vielleicht geht es nur mir so, aber diese Art des Erzählens hat mir das Mitfiebern mit der einen oder anderen Seite sehr schwierig gemacht. Aber wenn man mal von den teils hölzernen Gesprächen mit den Staffelkollegen und den oft unnötig komplizierten Einsatzbesprechungen zwischen den Missionen absieht, wird das Ganze kompetent präsentiert.
Spielerisch ist alles da, was wir alten Leute noch aus den 90er-Spielen kennen: Man kann auf beiden Seiten jeweils vier verschiedene Schiffstypen steuern, diese individuell bewaffnen und natürlich muss man in den Kämpfen auch mit der Energie des Schiffs taktieren, also immer entscheiden, ob man gerade Schilde, Waffen oder Antrieb priorisiert. Die Missionen sind schön abwechslungsreich und bieten weit mehr als nur schnöde Dogfights. Dass man nach dem eigenen Weltraumtod direkt dort weitermachen kann, wo man gerade explodiert ist, anstatt wie früher die ganze Mission wiederholen zu müssen, werte ich mal als Zugeständnis an das heutige Publikum. Mich selbst hat diese „Komfortfunktion“ auch nicht gestört, weil ich ja über die Jahre ebenso verweichlicht bin wie der Rest von euch…
Die sehr gute, aber relativ kurze Kampagne ist aber letztendlich nur ein aufgeblasenes Tutorial für den Multiplayer-Teil des Spiels. Und genau der interessiert mich persönlich eher weniger. Trotzdem muss ich die Motive Studios und EA loben. Zum einen hat EA komplett der Versuchung widerstanden, das Spiel mit Microtransactions und/oder Loot-Boxen kaputtzumachen. Die zahlreich enthaltenen Individualisierungsmöglichkeiten für Piloten und Schiffe erwirbt man mit der Ingame-Währung „Ruhm“. Und „Ruhm“ erhält man ausschließlich in den Mehrspielergefechten, nicht durch das Zücken der Kreditkarte.
Zum anderen haben die Motive Studios ihr Möglichstes getan, um die eingangs geschilderte Problematik von Weltraum-Dogfights abzumildern. Im ersten der zwei Mehrspieler-Modi, verrückterweise „Dogfight“ genannt, kämpfen zwei Staffeln, bestehend aus jeweils fünf Piloten, im Team-Deathmatch gegeneinander. Dass dabei nicht nur blöde „ge-loopingt“ wird, liegt einerseits an den verschiedenen Schlachtfeldern, welche Raumstationen, Großkampfschiffe oder Asteroidenfelder enthalten, so dass es auch entsprechende Deckung im All gibt. Andererseits liegt es auch daran, dass man durch die Wahl der Schiffsklassen und deren individueller Bewaffnung/Ausrüstung nicht nur zehn Kampfflieger im All hat, die sich alle an den Hintern des anderen setzen wollen, sondern auch Rollen bzw. Klassen wie z.B. Supporter mit Reparatur-Kits oder fette, aber weniger wendige Tanks dabei hat. Trotzdem verschwindet das Grundproblem der Dogfight-Mechanik auch in Squadrons nicht komplett: Loopings bis der Arzt kommt gehören auch hier immer dazu.
Die „Fleet Battles“, der zweite Mehrspieler-Modus (ebenfalls 5 vs 5), bieten größere und taktischere Schlachten, da es hier nicht primär darum geht, nur die gegnerischen Jäger und Bomber abzuschießen, sondern die Großkampfschiffe des gegnerischen Flottenverbands zu zerstören. Dieser Modus hat auch mir wirklich gut gefallen, obwohl ich mit der Wertung der Spielgebnisse nicht so ganz zufrieden bin. Wie bei so vielen Multiplayer-Titeln werden auch hier Support und Assist nicht entsprechend gewürdigt, und obwohl es bei „Fleet Battles“ ja um die Zerstörung der großen Pötte geht, bekommt dann doch meist der Spieler die meisten Punkte, der sich nur auf Dogfight-Abschüsse konzentriert und nicht der, der dem Sternenzerstörer den meisten Schaden verpasst.
Dass ich hier kaum ein Wort über die VR-Unterstützung des Spiels verliere, liegt schlicht daran, dass ich kein PSVR-Dingens besitze. Nichtsdestotrotz glaube ich ungeprüft die entsprechenden Lobeshymnen anderer Spieler, weil ich mir sehr gut vorstellen kann, wie geil das bei Squadrons funktioniert und wie es die Immersion noch einmal auf eine ganz andere Stufe hebt. Nur kann ich selber halt nichts Konkretes zu dem Thema sagen.
Alles in allem ist Star Wars: Squadrons ein ziemlich gelungenes Spiel, das, wenn überhaupt, eigentlich nur ein Problem hat: Wenn man ausschließlich an nur einem seiner Teilaspekte interessiert ist, bietet es einfach zu wenig Umfang. Wer es nur wegen der coolen Einzelspielerkampagne kauft, wird nach maximal 10 Stunden durch sein, und wer ausschließlich auf die Mehrspielergefechte scharf ist, wird sich ebenfalls über die, im Vergleich zu anderen Titeln, nicht so üppige Ausstattung wundern. So richtig rund ist es nur als Gesamtpaket.
5 Kommentare
So ein bisschen Bock drauf hätte ich ja auch, aber die offenbar mäßige Kampagne schreckt mich doch ab. :/
Nun, vielleicht sollte ich mich mal wieder an Fallen Order wagen, das ich nach zwei Stunden abgebrochen hatte…
Häh? Aber die Kampagne ist, abgesehen von ihrer Länge, doch das geilste am Spiel!
Musste bei Überschrift sehr lachen!
Hab noch einen Schaden weg vom PS+-Titel »Star Wars Battlegrounds II« obwohl ich es zB ganz lustig fand mit Leia rumzubolzen. Aber um mir meine Guckfreude der Filme zu erhalten, muss ich wohl Abstand von den Spielen halten, weil mir sonst die ganze John-Williams-Mukke-Karrusell aus den Ohren rauskommt.
Ein Star Wars Spiel, das mich allerdings reizen würde: »Jedi Kiwami Mos Eisley«.
@s2: Der allgemeine Tenor ist ja, dass die Kampagne eher ein gestrecktes Tutorial ist, das ist mir für den vollen Preis etwas zu wenig. Im Sonderangebot dann mal…
Bei der Einleitung musste ich kurz an die Freespace-2-Multiplayer-Partien denken, bei der wir zu dritt oder viert Wellen von shivanischen Schiffen erledigt haben. Da dabei nach kurzer Zeit auch große Kreuzer auftauchten, musste einer immer einen Bomber nehmen und der gurkte dann ungelenk zwischen den wendigen Jägern herum und obwohl man sich bemühte diesen Walfisch im All irgendwie graziös zu manövrieren, war man immer im Weg.
Aber das war die Zeit, wo noch ein Sidewinder 3D am Gameport der Soundkarte hing. Ohne ein ähnlich sinnvolles Eingabegerät werde ich keine Weltraum- oder Flug-Sim ernsthaft spielen wollen.