Durch das Spielen von Stonefly habe ich das Recht verwirkt, kommende Spiele mit Mechs als besonders zu bezeichnen. Auf dem Rücken einer Grille hüpfe ich durch Bäume, die meine Größe um ein hundertfaches übersteigen. Es ist die Einleitung für ein Spiel, das bald die Grille gegen einen Mech eintauscht, der auf einem Blatt wie eine kleinwüchsige Laus hin und her tingelt.
Weil ich vor wenigen Tagen über den delfingewordenen Menschen nachdachte, der mir in der “Southern Reach”-Buchtrilogie noch als das normalste vorkam, ist Stonefly genau die Art von Flucht, die ich jetzt brauche. Als gewiefte Bastlerin muss ich den gestohlenen Mech meines Vaters finden, in einer Welt, die meine Rolle als Mech-Pilotin in das Gegenteil wandelt, das aus der Popkultur bekannt ist; Baum und Wald, Ast und Blatt überragen mich wie Wolken und liegen mir zu Füßen wie eine nicht endende Wiese. Nahezu alles ist größer als ich.
Stonefly etabliert diese Welt mit Freundlichkeit. Aus meinem heimeligen Zimmer stapfe ich in die Werkstatt meines Papas und schnattere mit ihm, bevor es in den ersten Kampf geht, der anders läuft als erwartet. Nichts reiße ich in Stücke, wenn ich gleitend wie eine aufgemotzte Libelle meine Fähigkeiten wirke, mit denen ich die Insekten lediglich hilflos zappelnd auf den Rücken werfe, damit ich sie von mir wegpusten kann.
Meinen Mech gestaltete ich in den buntesten Farben, entwickle neue Fähigkeiten und sammle Materialien für Baupläne. Möglichkeiten der Individualisierung in einer Welt, die mit jedem neuen Ast in der Größe einer Autobahn schier endlos erscheinen mag, fördert den Entdeckerdrang, da ich jene Materialien erst finden muss.
Das hält nur kurz. Stonefly kann entspannen, damit werben sogar die Entwickler*innen. In das mal grüne, mal gold-braune Wirrwarr zu gleiten, unterlegt mit freundlich-wippender Musik, ist ein Hochgenuss. Bis ein Arenakampf beginnt. Erst durch den Sieg gegen die Insekten, die teilweise nach und nach mehr werden, kann ich den Bereich verlassen. Plötzlich geht’s um Präzision und Schnelligkeit. Muss springen, gleiten, bomben, flüchten. Zwischendurch regenerieren sich die Panzer der großen Käfer-Brecher. “Kill it with fire!”, möchte ich brüllen, doch ich bleibe entspannt. Versuche es. Verdammt, ich scheitere. Wo ist mein Unkraut-Gasbrenner?! Frage für einen Freund…
Könnte das Spaß bereiten, in einem für Mechs unüblichen Setting bisschen zu ballern? Klar, doch Stonefly kann so verflixt unübersichtlich werden, dass die heimelige Atmosphäre jäh zerschmettert wird. Es ist schlicht zu schwer. Auch die Wegfindung durch die Äste und Bäume, die sich auf mehreren Ebenen verteilen, kann trotz Wegfindungsmechanik brutal frustrieren.
Immerhin bietet Stonefly einen sogenannten Unterstützungsmodus, der unter anderem Unverwundbarkeit bietet. Ein Traum! Er sollte Pflicht werden für jedes gottverdammte Spiel, und das sage ich und meine ich bis zum Ende aller Tage mit inbrünstigem Ernst. Und doch ist der Bruch zu groß. Für mich. Zu viele Eigenarten stören mich, keine davon zu sehr, doch zusammengenommen konnte ich das Spiel nur kurz genießen.
Stoneflys wunderbare Vorzüge erkenne ich trotzdem an. Im gepinselten Grafikstil, der stark an die Spiele von “Might and Delight” (“Shelter”, “Meadows”) erinnert, verbinden sich Geschichte und Schauplatz zu einem drolligen Wunder der Pixelnatur. Ein herrlich sanfter Gegensatz zur grimmig-poetischen Wildheit der Southern-Reach-Bücher, die immerhin dafür gesorgt haben, dass ich Sätze daraus fast eins zu eins übernehme, wohlgemerkt für einen Text über ein kleines Spiel.
Spricht das für Stonefly? Bestimmt. Vor allem beweist es, dass ein nicht durchgehend angenehm empfundenes Erlebnis gar nicht so schlimm sein muss, sofern sich die Gedanken darüber mit den Ideen anderer Spiele, Filme, Bücher konstruktiv ergänzen.
Und deswegen bin ich froh, Stonefly gespielt zu haben.
Neueste Kommentare