Seit über 2 Jahren freue ich mich schon einmal grundsätzlich über jeden Ego-Shooter, der nicht im 2. Weltkrieg, Vietnam oder Irak spielt. Klar, auch ich fand das erste Medal Of Honor grandios. Aber alle Me-Too-Spiele, die darauf folgten langweilten mich zu Tode. Das alleine wäre nicht so schlimm, wenn man noch die Wahl im Softwareland hätte, aber da ja mittlerweile fast jeder 2. Shooter auf dieser fantasielosen Welle mitschwimmt, sehe ich mich in letzter Zeit doch sehr in meinem Lieblingsgenre eingeschränkt. Ziehe ich alle Weltkriegsshooter und sonstige Gurken ab, erscheint eigentlich nur noch recht selten etwas Brauchbares. Schade eigentlich…
Warum ich dies im Zusammenhang mit Quake 4 erwähne? Um meinen Ansatz klar zu machen. Man kann einerseits den großen Namen Quake als Messlatte anlegen und unweigerlich enttäuscht sein, denn Maßstäbe setzt Raven Softwares Fortsetzung von Quake 2 nicht. Man kann Quake 4 aber auch als einen der wenigen soliden Shooter der letzten Monate ansehen, in dem man ausnahmsweise nicht zum 46. Mal die Normandie erstürmen muss. Und unter diesem Gesichtspunkt funktioniert das Teil extrem gut!
Aber zunächst die unausweichliche Geschichtsstunde für all jene, die Quake 4 unbedingt innerhalb der Ahnenreihe betrachten wollen:
1996 kam Quake ohne 3D-Hardwarebeschleunigung (später kam noch eine OpenGL-Mod heraus), Story und KI daher und setzte trotzdem Maßstäbe. Es war eine reine Metzel-Grafik-Demo, aber damals regte sich noch niemand über solche Nebensächlichkeiten auf. Unvergessen auch der Soundtrack von Trent Reznor, der die düster-klaustrophobische Atmosphäre seinerseits verstärkte. Quake war außerdem der erste Ego-Shooter, der das Internet als Spielplatz eroberte.
Schon 1997 erschien dann der Nachfolger Quake 2. Diesmal mit Hardware-3D (da ich mir damals schon einbildete, ein Rebell zu sein, freute ich mich besonders über die PowerVR-Unterstützung) und Story (na ja, „Setting“ trifft es wohl eher, denn die Geschichte wurde nicht wirklich erzählt), aber immer noch ohne anständige KI. Abermals störte sich seinerzeit niemand an Kanonenfuttergegnern und stumpfem Ballern. Quake 2 war zudem der erste Shooter, der mit der Zeit noch erheblich verbesserte wurde: Teils durch id software, teils durch die Modder-Szene permanent weiterentwickelt, mauserte sich Quake 2 damals zu DEM Multiplayer-Online-Shooter schlechthin. Viele Leute vergessen nämlich, dass Q2 damals im Auslieferungszustand gar keinen anständigen Multiplayer-Modus hatte! Der wurde erst später nachgeliefert…
Der Entwicklung von Quake 2 zum LAN- und Online-Liebling Rechnung tragend, brachte id software 1999 dann Quake 3 (Arena) heraus, welches ein reines Multiplayer-Game war. Die Tatsache, dass Epic gleichzeitig an Unreal Tournament werkelte, hatte sicherlich auch ihren Anteil an der Entscheidung, diesen Weg zu gehen…
Ich persönlich konnte mit Q3 nie wirklich etwas anfangen, obwohl ich Q2 bis zum Erbrechen online gespielt habe. UT hingegen traf genau meinen Nerv, so dass ich mich beim „Shooter-Glaubenskrieg des Jahres 1999“ ganz klar auf die UTler-Seite schlug. Dies lag u.a. auch daran, dass auch Q3 immer noch keine vernünftige KI an Bord hatte. Die Bots liefen mehr oder weniger nur ihre Way-Points in den Leveln ab. Das konnte Epics UT viel besser! Außerdem fühlte sich Q3 irgendwie zu „klobig“ an. Die Gegenstände und Models waren im Vergleich zu den Leveln viel zu groß und wirkten für mich wie Playmobilmännchen mit Schrotflinte…
2005 kommt nun Quake 4 heraus. Zwar wurde es, erstmals in der Serie, nicht von id software selbst entwickelt, aber immerhin an den langjährigen Entwicklungspartner und id-Engine-Spezialisten Raven Software (Hexen II, Heretic II, ST: Elite Force, Soldier Of Fortune 1+2, Jedi Knight 2, Jedi Academy) gegeben.
Die ersten drei Spiele teilten sich lediglich den Namen und hatten inhaltlich rein gar nichts miteinander zu tun. Q4 kommt jedoch als Fortsetzung von Q2 daher, wobei es sich als erstes Quake auch die Mühe macht, die Geschichte wirklich kontinuierlich zu erzählen, anstatt dem Spieler lediglich am Anfang und Ende ein paar Brocken hinzuwerfen. Q4 gewinnt natürlich ebenso wenig einen Pulitzerpreis wie DOOM 3, aber in anbetracht der Historie der Serien muss man das „Geschichtenerzählen“ doch immerhin bei beiden wohlwollend zur Kenntnis nehmen.
In Q2 lag die Menschheit im Krieg mit den Strogg, einer biomechanischen Alienrasse, die man am besten als „Borg-Ripoff“ bezeichnen kann, und war kurz davor, zu verlieren. Die finale Verzweiflungsattacke der Menschen auf den Heimatplaneten Stroggos wäre fast gescheitert, wenn nicht ein einsamer (und namenloser) Soldat doch noch in der Lage gewesen wäre, sowohl die Hauptabwehreinrichtung „The Big Gun“, als auch den Strogganführer und kollektives Gehirn „Makron“ zu vernichten.
Das Ende von Q2 ist der unmittelbare Anfang von Q4:
Der Krieg ist nicht, wie am Ende von Q2 angenommen, vorbei. Die Strogg formieren sich schnell neu und haben auch schon einen neuen Makron eingesetzt. Dennoch ist die Verteidigung von Stroggos noch sehr angeschlagen und lädt die irdischen Truppen geradezu zum Nachschlag ein. Die Angriffsflotte der Erdstreitkräfte besteht aus diversen Spezialeinheiten, zu denen auch das Rhino-Squad gehört. Unser Alter Ego ist dieses Mal weder allein noch namenlos: Matthew Kane wurde gerade zum erwähnten Rhino-Squad versetzt und wird von seinen Kollegen daher zunächst als blutiger Anfänger gesehen, der das Ende dieser Schlacht wohl kaum erleben wird…
Quake 4 ist ein FPS der alten Schule. Wer großartige Genreinnovationen erwartete, hat seit Hundefelsen 3D offenbar kein id-Spiel mehr gespielt. Dennoch unterscheidet es sich extrem von allen anderen Titeln der Serie und hat außer der Engine auch keine Ähnlichkeit mit DOOM 3. Im Gegensatz zum letzteren Titel gibt es kein langsames Schleichen durch stockdunkle Räume, keine aus Schränken springende Trigger-Monster, kein Horror-Szenario. Stattdessen bekommt man rasante Action, die aus handwerklicher Sicht kaum Angriffsfläche für Kritik bietet. Das Thema des Spiels lautet „Krieg“. Man ist nicht der einsame Superheld aus Q2, der im Alleingang mal wieder das ganze Universum in der Mittagspause rettet, sondern ein Soldat unter vielen (zumindest anfangs…). Und dies wird glaubhafter vermittelt als in vielen der eingangs kritisierten WW2-Shooter-Klone.
Auch in Q4 ist man oft im Squad unterwegs, trifft regelmäßig auf andere Erden-Einheiten und erhält ständig neue Befehle vom Oberkommando oder direkten Vorgesetzten, wie es sich halt für ein atmosphärisch stimmiges Kriegsszenario gehört. Aber Raven machen nicht den gleichen Fehler wie andere Entwickler, die eine Spezialeinheit nach der anderen verheizen und so beim Spieler schnell die Frage aufkommen lassen, wie speziell denn überhaupt so ein Spezialkommando sein kann, wenn sie sich dann doch bei jeder Gelegenheit ausradieren lassen…
Man trifft über die ganze Story hinweg immer wieder auf bekannte Gesichter, und genau das schafft eine gewisse Glaubwürdigkeit, die vielen anderen Kriegs-Shootern abgeht. Verstärkt wird dieser Effekt noch dadurch, dass man am Anfang bei den Kameraden das Greenhorn ist und man sich den Respekt erst redlich verdienen muss. Die Charakterbeziehungen entwickeln sich! Und mal ehrlich: Wer hätte das von einem Quake-Titel erwartet?! Besonders interessant wird diese Entwicklung ab dem Zeitpunkt, wo Kane „stroggifiziert“, also quasi ins Strogg-Kollektiv assimiliert wird, ohne dabei aber einer von ihnen zu werden (was übrigens sogar für Quake-Verhältnisse eine sehr splatterige Angelegenheit ist). Die anderen Soldaten wissen verständlicherweise zunächst nicht, ob sie einem überhaupt noch vertrauen können. Diesen Spoiler erlaube ich mir einmal, da diese Storywendung ja sogar beim Bewerben des Spiels verraten wurde. Einen weiteren Spoiler werde ich später noch loswerden; dies aber nur, weil das Ende von Q4 ziemlich scheiße ist und so gar nicht zum Rest des Spiels passen will…
Da ja weiter oben schon die im Vergleich zu anderen Shootern extrem verkümmerte KI der anderen Quake-Spiele erwähnt wurde, soll nicht verschwiegen werden, dass Quake 4 hier keine Ausnahme macht. Die Gegner kommen angelaufen, stellen sich vor einen und ballern los. Werden sie beschossen, so kümmert es sie wenig. Entweder haben sie eine unglaubliche Selbstbewusstseins-KI, die ihnen suggeriert, sie wären unbesiegbar, oder sie sind einfach nur doof… Ich persönlich vermute letzteres.
Aber halt! Die NPC-Kollegen auf Seiten der Erdstreitkräfte sind richtig clever und kämpfen auch ohne unsere Hilfe ausgesprochen gut. Teamwork haben sie auch drauf. Hmm… Also einen kompletten KI-Ausfall wie in anderen „stumpfes-Ballern-macht-Spaß“-Shootern kann man Q4 dann doch nicht attestieren. Vielleicht fanden die Designer es einfach spielfördernd, dass die Strogg blöd wie Knäckebrot sind, obwohl man sehr wohl eine anständige KI zur Hand hatte. Wer weiß das schon. Die Wege des Spielentwicklers sind unergründlich…
Wie auch schon im aktuellen Auftritt von „Serious“ Sam Stone gibt es nun auch im neuesten Quake benutzbare Vehikel. Die entsprechenden Levelabschnitte wirken allerdings extrem aufgesetzt. Nicht dass es keinen Spaß machen würde, mit einem Hover-Panzer riesige Spinnen-Monster abzuknallen! Aber erstens sind diese Abschnitte lächerlich einfach, da man immer nur kurz irgendwo warten muss, damit sich die Schilde wieder von selbst regenerieren. Hierdurch werden diese Abschnitte zur reinen Arcade-Farce im Moorhuhn-Stil. Und zweitens erweckten die Fahrzeug-Missionen bei mir den Eindruck, dass man sie nur ins Spiel eingebaut hat, um allen Kritikern der DOOM 3-Engine zu zeigen, dass diese sehr wohl große Außenlevel darstellen kann.
Und genau hier muss ich einmal Kritik bezüglich besagter Engine loswerden:
Warum kann sich niemand einfach damit abfinden, dass die aktuelle id-Engine grandiose Innenlevel mit fantastischen Licht- und Schattenspielen darstellen kann wie derzeit keine andere (na ja, die neue Monolith-Engine kommt sehr nahe ran), aber für große Außenareale einfach nicht taugt?!? Stattdessen bastelt Raven Software Außenlevel, die eine reine Mogelpackung sind, nur um allen Kritikern vorzumachen, dass es doch geht. Es geht einfach nicht! Basta!
Wenn man sich die Außenlevel in Q4 genau ansieht, merkt man schnell, dass der Detailreichtum und die Lichtberechnungen im Vergleich zu den Innenleveln dermaßen drastisch reduziert wurden, dass es schon fast weh tut. Und groß sind diese Level eigentlich auch nicht, denn der Blick in die Ferne landet nach wenigen Metern auf einer Texturtapete, wie sie üblicherweise auch den Himmel schmückt. Die ganze „Außenlevel-Schummelei“ ist dermaßen offensichtlich, dass es mich schon etwas schockiert, wie viele Reviewer offenbar stark kurzsichtig bis völlig blind sind…
Ansonsten bekommt man in Q4 natürlich die von DOOM 3 gewohnte Zuckerguss-Grafik, nur eben nicht so düster und dafür abwechslungsreicher. Die Hardwareanforderungen sind folglich auch nahezu identisch.
Apropos DOOM 3: Ich fand es ja, wie auch hier und hier nachzulesen ist, richtig klasse. Aber ich habe auch Verständnis für jene, denen D3 nicht gefallen hat. Aber macht nicht den Fehler, Q4 aufgrund der Screenshots voreilig in den selben Topf zu werfen! Die beiden Spiele haben außer der Engine wirklich so gut wie nichts gemeinsam. Auch D3-Hasser sollten Quake 4 eine faire Chance geben.
Der Singleplayer-Modus ist mit seinen 10-12 Stunden Spielzeit etwas kurz, aber auch extrem kurzweilig und gut inszeniert. Quake 4 ist zwar kein Meilenstein, wie es vielleicht so Mancher aus unverständlichen Gründen erwartet hat (wie gesagt, die Vorgänger konnten eigentlich auch nur durch die Grafik Maßstäbe setzen; in allen anderen Punkten war die Konkurrenz schon immer besser), aber es ist keinesfalls so eine Mega-Kernschrott-Gurke wie z.B. Unreal 2, welches sich einfach nur auf einen guten Namen verlassen hat, ohne substanziell auch nur einen positiven Aspekt zu bieten.
Einzig das Ende von Quake 4 ist ein Witz. Ich will die Endsequenz hier nicht verraten, aber sie ist echt armselig und steht in völligem Gegensatz zum Rest des Spiels. Spoilern will ich hier nur in Bezug auf den finalen Endkampf im Spiel, weil ich Euch eventuellen Frust ersparen will. Man kann hier nämlich stundenlang versuchen, die endlos spawnenden Gegner (passiert ansonsten an keiner Stelle im Spiel) zu besiegen und daran unweigerlich immer wieder scheitern, oder man kann einfach einige wenige gezielte Schüsse auf den Kraftfeldgenerator oberhalb des Endgegners abfeuern und so nach wenigen Sekunden den bekloppten Abspann „genießen“. Der Leveldesigner, der sich diesen Endkampf ausgedacht hat, kommt sich wahrscheinlich richtig schlau vor, aber meiner Meinung nach bräuchte er, neben ein paar Nachhilfestunden im Fach „Spannungsaufbau“, auch richtig eins auf die Fresse, weil er dem Spiel den befriedigenden Abgang versaut hat, den der Spieler als Erinnerung an ein gutes durchgezocktes Spiel unbedingt braucht…
Anyway, als Single-Shooter ist Quake 4 unterm Strich trotzdem sehr empfehlenswert!
Anders sieht es hingegen beim Multiplayerteil des Spiels aus, weshalb ich allen Leuten, die Quake 4 vielleicht aus diesem Grund in Betracht ziehen, nur abraten kann.
Die Tatsache, dass es mit Deathmatch, Team-Deathmatch und zwei Capture-The-Flag-Varianten nichts gibt, was auch nur annähernd mit BF2 oder UT2004 konkurrieren könnte, überrascht nicht weiter. Aber dass die wenigen mitgelieferten Karten allesamt aus Q2 und Q3 recyclet wurden, ist extrem arm. Das wäre ein nettes Gimmick gewesen, wenn es außerdem noch neue Level geben würde, aber so…? Was man hier als Mehrspieler erhält, ist im Grunde ein Grafik-Update zu Quake 3 Arena, welches sich exakt wie dieses spielt; nur leider ohne die vielen Maps, Models und Bots des Originals von 1999…
Überflüssiger geht es wohl kaum. Und nachdem auch Q3A gewaltig in die Jahre gekommen ist und DOOM 3 ohnehin kaum Zuspruch bei den Online-Gamern gefunden hat, dürfte der Name id software in nächster Zeit wohl gar keine Rolle mehr im Online-Gaming, geschweige denn im E-Sport bzw. Pro-Gaming spielen. Wenn ich überdramatisch sein wollte, würde ich sogar von einem untergehenden Stern am Multiplayer-Himmel sprechen. Die einzige Rettung des Mehrspielerteils wäre ein Nachliefern von Komponenten per Patch, wie es seinerzeit auch bei Q2 passiert ist. Man wird sehen…
Mein Fazit zu Quake 4 lautet also: Single hui, Multi pfui! Schönen Tag noch.
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