Das erste, das ich sehe, wenn ich Borderlands 3 starte, sind nachladende Texturen.
Das zweite, das ich sehe, ist Claptrap. CL4P-TP oder “Si-El-Pi-For-Pi-Ti-Pi”, wie er sich selbst im ersten Teil samt Schreibfehler nennt. Bevor ich mich also aufregen kann, dass sich an der Technik seit Borderlands, das immerhin 2009 schon erschien, kaum etwas geändert hat, starre ich dem Hass ins Gesicht. Also, ich starre einem kümmerlichen Idioten ins kastenförmige Interface, aber ihr wisst, was ich meine. Well played, Gearbox.
Zum Glück wissen Gearbox auch, wie nervtötend Claptrap im zweiten Teil tatsächlich war. Nach dem ersten Schockeffekt stehe ich also einem dümmlichen Loser statt einem hassenswerten Giftzwerg gegenüber, und damit komme ich ganz gut klar. Überhaupt hat dieses Spiel es zum ersten Mal in der zehnjährigen Geschichte der Reihe drauf, mich direkt am Einstieg mit Action abzuholen. Statt mich mit sehr drögen Tutorial-Quests eine gute Stunde durch ein sehr langweiliges Gebiet zu jagen, gibt mir Borderlands 3 direkt den ersten Schusskampf, nachdem ich mich fünf Minuten über Claptrap amüsieren durfte. Zum besseren Onboarding trägt sicher auch die Entscheidung bei, mich nicht erst fünf Level wie einen 0815-Shooter ohne Skills und Granaten ballern zu lassen, sondern mir sofort auf dem zweiten Level meine Spezialfähigkeit zu geben und direkt nach dem ersten Miniboss all meine Ausrüstungsslots zumindest mit grundlegendem Feuerwerk aufzufüllen. Die Skillbäume und damit die Sonderfähigkeiten sind wie jedes Mal das Herz von Borderlands 3s RPG-System, und endlich muss ich dafür nicht mehr Skags und Banditen grinden.
Im Prinzip war es das schon mit Änderungen. Dass dieses Spiel ein deutlich höheres Budget gehabt zu haben scheint als die Vorgänger, merkt man höchstens an der Qualität der Synchronsprecher und daran, dass Borderlands 3 mehr Writing (wenn auch nicht unbedingt besseres) als der zweite Teil hat. Die technische Seite des Spiels ist, so absurd das klingt, im Prinzip kaum vom Stand von 2009 abgekommen. Nicht nur kann ich die gleichen Texturnachlader provozieren wie damals, auch das Menü hängt sich im Online-Koop-Modus verlässlich an denselben Stellen auf wie schon auf der PlayStation 3. Klar, das Blut spritzt ein bisschen schöner, die Bilder pro Sekunde sind im Durchschnitt um einiges stabiler, aber so zeitlos der grafische Stil der Borderlands-Reihe auch ist, so sehr erinnert der dritte Teil dann eben auch noch an Damals. Nicht an Damals™, die gute alte Zeit, in der alles toll und Borderlands dementsprechend in nostalgischer Verklärung absolut großartig war. Eher an “Als der PlayStation-Store noch schlechter war als heute, ja wirklich, das war so, glaub es deinem Großvater”-Damals.
Bizzarerweise ist ein Teil dieser altbackenen Gefühle dann auch wieder der beste Teil von Borderlands 3. Es ist eben kein Destiny, mit MMO-Struktur und Free2Play-Bimbam, sondern ein Koop-Shooter of yore, mit Splitscreen, aufeinander abgestimmten Klassen, witzigen Karren, in die man zu viert reinpasst und sehr, sehr übertriebenen Loot-Explosionen. Ich hatte mich, als ich das erste Destiny nachgeholt habe, dazu hinreißen lassen, es mit Borderlands zu vergleichen. Dabei habe ich für mich festgestellt, dass ich da nicht viel Entwicklung sehe. Andersrum geht es mir nun genauso: Mööööglicherweise ist das Waffen-Handling im Vergleich zu Borderlands 1 in Borderlands 3 nun besser? Möglicherweise ist es schlechter als in Destiny? Ich habe keine Ahnung, denn es flutscht, es spratzt, und meine Waffen schießen Waffen, die andere Waffen verschießen. Ab einem gewissen Spielflow ist es halt einfach egal, ob die Shotgun geil oder richtig geil reinhämmert. Borderlands 3 hat mich wieder gekriegt, ich sehne mich nach jeder neuen Koop-Session, und jedes einzelne Level Up entzückt mein kleines, mit Loot betriebenes Herz. Dass der Humor mit derselben Shotgun verschossen wird wie die Waffen feuernden Waffen, hilft eben (leider) auch. Klar ist das meiste super stumpf, aber wenn sich das Spiel über Gearbox-Kopf Randy Pitchfords USB-Stick voller Pornos lustig macht oder über Influencer mit “Let’s Flays” und “Livescreams” lacht, dann lache ich mit. Bisher (und so wie ich das Borderlands-Universum kenne, wird sich das wohl leider noch ändern) tritt Borderlands 3s Gelächter vor allem nach oben, und das ist Humor, den ich in meinem sinnlosen Shooter definitiv gebraucht habe.
Außerdem schieße ich grade mit einer Waffe, die Firefly: Aufbruch der Serenity referenziert. Was will ich mehr?
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