Der Versuch, mit einer geworfenen Harfe den Kopf meines Gegners zu zerschmettern, endete mit meinem Tod. Ich lerne nichts dazu, ich weiche nicht aus. In den Tod renne ich aufrecht. Meine Statistiken über Niederlagen und Tod enthalten nur Mittelfinger. Das ist die Geschichte meiner Nichtskönnerei im mittelalterlichen Ganzkörperkontaktwettbewerb namens Chivalry 2.
Mein Schicksal lautet: ich kann das nicht, das Spiel, das Morden, Totschlagen, Zerteilen und Zermatschen. Genau daraus – und tatsächlich nur daraus – besteht das Mittelalter-Blutfeuerwerk in Chivalry 2. Und weil das Können erfordert, bin ich geliefert. Deswegen halte ich es wie die Dropkick Murphys:
„You’d think I’d learn my lesson
I’m a man who’s been around
But I could never keep that middle finger down“
Höhe, Tempo und Winkel der todbringenden Attacken, verkörpert durch Mordaxt, Streithammer und Hellebarde, entscheiden über Sieg oder Niederlage. Einfache und schwere Angriffe können etwa den Gegner früher treffen, wenn sich der Schwertschwingende mit der Bewegung dreht. Im Eifer des Gefechts ist das nicht leicht, weil noch Finten, Paraden und Kniebeugen das „Ein Mal Eins des mittelalterlichen Massakers“ verkomplizieren. Und deswegen singe ich aus voller Kehle:
„You’d think I’d learn my lesson
I’m a man who’s been around
But I could never keep that middle finger down“
Mit jedem Tod, der saftig schmatzt, mit jeder Extremitäten-Explosion, die einem Schwertschwung folgt von solch monströser Heftigkeit, dass selbst ausgewachsene Panzer vor Schreck die Kettenbereifung herauspupsen, steigt auch der Spaß. Meine Kill-Death-Ratio, also mein Verhältnis von Kills zu Gekilltwerden, äfft meine Bewegungen weinend nach, doch wenn mir ein Kill gelingt, bejubeln wir uns im Einklang als exekutierender Hallodri.
Als Bogenschütze bin ich aber noch erfolgreicher. In einem Nahkampf-Simulator. Da bin ich der Armbrust-Bolzen in deiner offenen Bauchwunde. Gern geschehen! Wie ein auf Pfeile und Bolzen sensibel reagierender Supervirus begegnet auch die Chivalry-Community – vorsichtig formuliert – übelst hasserfüllt eben jenen Fernkämpfern. Im Subreddit hetzt man sich in Rage und im Ingame-Chat habe ich in 25 Stunden Spielzeit öfter „fuck the archers“ als „good game“ gelesen. Wenn hier jemand ge“fuck“ed werden soll, dann ja wohl the police. Die gibt’s in Chivalry 2 zum Glück nicht, werden halt weniger Steine geworfen. Und nun (k)ein Gedicht:
Und sowieso, das ist ja klar
die Community in Chivalry
gehört verklagt.
Übel drauf sind manche der Spielenden, und weil das Rechtssystem im Spiel aus Hauen und Stechen eine gewiss mittelalterliche, zuvorderst aber verfickt effektive Urteilssprechung mit sofortiger Umsetzung zelebriert, jage ich diese Motherfucker in die ewigen Pixeljagdgründe, sobald sie sich danebenbenehmen. Beleidigungen, die sich gegen Homosexuelle oder Frauen richten, fallen nicht häufig und doch auch nicht selten. Ungelogen war das erste, was ich in der Closed Beta im Chat las: „STUPID BITCH“ – ungefähr so charmant wie die Community von Mordhau, dem engsten Konkurrenten im Haudrauf-Genre, in dem ich ebenfalls nach zwei Minuten Spielzeit die übelsten Beleidigungen ertragen musste.
Leider lassen sich die Namen der mitspielenden Bumsnudeln nicht gut sichtbar anzeigen. Mein Rachefeldzug wäre effektiver. Immerhin kann ich meine eigenen ungezogenen Teamkameraden leichter killen. Friendly Fire hart am flexen oder: „Friendly fire for hateful behavior and now go fuck yourself“. Es hat einen reinigenden Effekt für die Seele und gleichzeitig kann ich an meinen Englisch-Kenntnissen arbeiten.
Deswegen kann ich Chivalry 2 nur empfehlen. Für die leisen Tage, an denen ein abgehackter Arm nicht das Ende bedeutet, sondern erst zum jubilierten Einarm-Duell führt. Für die lauten Tage, an denen ein Armbrustschütze hinter den eigenen Burgmauern ein Gefühl der unendlichen Selbstsicherheit gibt. Für die normalen Tage, an denen ein Ritter mit dem Katapult unter’m Arsch und gleichdarauf in luftiger Höhe gegen die Burgmauer klatschend jede Komik weit übertrifft.
Hach, ist das nicht schön? Das fröhliche Gemetzel in Chivalry 2 kann durch das brutal zu erlernende Kampfsystem und einen nicht kleinen Teil der Community verflixt frustrieren. Und dann, wenn ich das mannshohe Rad in die Arme nehme und einer Horde Knappen in die Fresse werfe, tänzelt das Massaker als fast poetisches Erlebnis in meinen Erinnerungen umher. Am Ende gewinnt dann doch der Mittelfinger.
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