Laßt euch nichts erzählen – Die dritte Staffel des zweiten Versuchs einer 3D-Umsetzung von “Sam & Max”, Telltale Games’ “The Devil’s Playhouse”, zumindest die erste Episode, “The Penal Zone”, ist einfach groß-ar-tig! Ich habe zwar leider, wie sollte es auch anders sein, die vorangegangenen Staffeln (bis auf “Abe Lincoln must die”) nicht gespielt. Es kommt mir jedoch so vor, als hätte sich seit Erscheinen der letzten Staffel außerordentlich viel verändert. Als erstes stach mir der verbesserte visuelle Stil ins Auge: Die Modelle und Animationen schienen mir detaillierter gestaltet worden zu sein und es gibt mehr höher aufgelöste Texturen. So nötig diese Maßnahme auch war – obwohl Sam und Max nicht realistisch gestaltet wurden, sehen die Figuren aus den frühen Episoden doch schon wieder veraltet aus – so resourcenhungrig fiel die neue Staffel auch aus. Selbst Graphikkarten relativ neuer Macs und PCs dürften durch das Spiel unter erhöhter Temperatur leiden und ziemlich ins Schwitzen kommen; die vorletzte Notebook-Generation dagegen dürfte leider wegen lebensbedrohlichem Fieber das Bett hüten müssen.
Am meisten von den neuen Graphikeffekten profitiert der faltige Erzähler. Überhaupt sollte es in sämtlichen Videospielen viel, viel mehr Erzähler, Ansager und andere Figuren geben, die eigentlich nichts mit der Story des Spiels am Hut haben. Ich denke, der Atmosphäre und Spannung innerhalb eines Spiels könnte es enorm zuträglich sein, Geschichten auch einmal nicht-linear zu erzählen, so wie in “The Penal Zone” dem Ende gleich zu Beginn ein kleines Bißchen vorgegriffen und die Phantasie des Spielers oder der Spielerin, durch Spekulationen darüber, wie es denn zu dieser Situation hätte kommen können, ein wenig auf Touren gebracht wird. In Büchern und Filmen ist dies schließlich Gang und Gäbe. A propos Film: Die krude Figur des Erzählers könnte so wie sie ist, im Frack und bis auf eine rote Rose komplett in schwarz-weiß gerendert, ohne Probleme einem Film von David Lynch entsprungen sein und erinnerte mich, mit seinen geheimnisvollen Vorahnungen, allerdings auch stark an den G-Man aus “Half-Life”. Wie man diese Figur nicht mögen kann, ist mir ein größeres Rätsel als alles, womit “Gabriel Knight” je aufwarten könnte. (Das halte ich für genau so ignorant wie Leute, die aus Prinzip keine langen Texte lesen oder keine alten Schwarz-Weiß-Filme ansehen). Solch schräge Vögel sind mir weitaus lieber als andere Mitglieder des “Sam & Max”-Ensembles, wie beispielsweise der leicht gesichtslose Agent Meatball oder Flint Paper. Das soll nicht heißen, daß ich mich nicht doch irre und besagte Figuren bereits ihren großen Auftritt in einer früheren Folge hatten oder er noch kommen wird, das ist nun einmal einer der großen Nachteile von Episodic Gaming.
Wie gesagt – Ich habe überhaupt nichts gegen schräge Charaktere und so sehr ich auch über “The Whispered World” her zog, der schrullige Opa gefiel mir zum Beispiel außerordentlich gut. Wenn ich schreibe, ich will mich nicht mit unlogischen Rätseln beschäftigen, dann meine ich damit nicht, daß ich mir Rätsel mit alltäglichen Gegenständen wünschte, die sich auf die gleiche Art und Weise zu verhalten hätten wie in der realen Welt, sondern ich wünsche mir Rätsel, deren Lösung sich aus den Gesetzmäßigkeiten der Spielwelt, sei sie auch noch so verrückt, erschließt – Ohne immer wieder stupide versuchen zu müssen, alle Gegenstände unter einander zu kombinieren. Bestes Beispiel für ein glaubhaftes Adventure-Universum ist das wunderbare, auch im Hause LucasArts erdachte “Grim Fandango”. Dort gibt es zwar auch ein paar hanebüchene Aufgaben, aber scheinbar ist es auch 12 Jahre danach noch eine Erwähnung wert, daß in “Grim Fandangos” Welt der Toten natürlich niemand erschossen, sondern ersprossen wird; das heißt, die auf eine sehr tote Art lebendigen Gerippe scheiden brutal als Blumen-Bouquets aus der Welt. In der “Penal Zone” steht Sam vor einer Mülltonne und weigert sich, diese zu durchwühlen, weil er nicht weiß, was er eigentlich darin sucht. Darauf hin nutzt man Max’ einzigartige Fähigkeit, in die Zunkunft zu blicken und sieht den Anzug tragenden Hunde-Schnüffler, wie der das korrekte Item findet, worauf hin Sam wiederum anfängt, den Tonnen-Deckel zu öffnen. Das ergibt zwar eigentlich überhaupt keinen Sinn, ist aber innerhalb des durchgeknallten Sam & Max-Universums dennoch irgendwie logisch.
Paradoxa wie dieses tauchen immer wieder in dieser Episode auf und ich finde sie sogar amüsanter als Max’ notorisch freche Kommentare und die Tatsache, daß der Oberbösewicht, ein hochintelligenter Primat aus dem All in einem weißen Anzug, Skunk-Ape, ähm… Verzeihung, General Skun-ka’pe… genannt wird (der Name ist vermutlich ähnlich wie “Guy.Brush” entstanden, nämlich durch reinste Faulheit ;). Daß Protagonisten spezielle Fähigkeiten anstelle der üblichen Verben (wie benutze oder untersuche) besitzen, war seit Langem mein größter Wunsch, was ein Adventure noch zu bieten haben sollte. Bislang verfügt Max über zwei Fähigkeiten: Neben dem Blick in die Zukunft kann er sich und andere zum Standort jedes Telefons, an dessen Nummer er sich erinnert, transportieren lassen kann. Das bedeutet nicht nur, daß man schnell von einem Ort zum anderen gelangen kann, es ermöglich auch hochinteressante Rätsel, in deren Verlauf man sich aus den tiefsten Kerkern und NPCs von ihren sämtlichen Habseligkeiten befreien wird.
Daß die Rätselinhalte nun hauptsächlich daraus bestehen sich von Ort zu Ort (oder, in Folge Nummer 2, von Zeitpunkt zu Zeitpunkt) zu warpen, was mit einer extremen Reduzierung der Anzahl der Gegenstände einher geht, heißt aber nicht, daß auch der Schwierigkeitsgrad stark reduziert worden wäre. Wenn Max sich zum Beispiel, und das ist durchaus wörtlich zu verstehen, im Würgegriff der Affenbande General Skunk-Apes befindet, alle Dialog-Optionen ausgeschöpft und im Inventar nur einige wenige Items vorhanden sind, gilt es auch in der dritten Staffel weiterhin, seinen Denkapparat gehörig anzustrengen. Besonders großartig an Max’ neu gewonnenen übernatürlichen und sehr beängstigenden Fähigkeiten finde ich jedoch, daß man durch ihren Einsatz in der Regel an neue Informationen kommt, die einem in Dialogen neue Möglichkeiten eröffnen, oder direkt die Handlung vorantreiben. Das ist einfach tausend Mal besser als ein Kotze-Imitat mit einem Heftklammerentferner (oder so ähnlich) zu benutzen, weil es einem einfacher macht, in Gedanken die Geschichte weiter zu spinnen und sich mit dem Setting und den Charakteren eingehender zu beschäftigen. Das Spiel wirkt viel literarischer als andere Adventures und seine Vorgänger, das ist wahrscheinlich nicht nur den spieltechnischen Neuerungen geschuldet, sondern auch den Autoren, von denen einige auch schon am 2D-“Sam & Max” mitwirkten. Es tut dem Spiel außerordentlich gut, daß weitestgehend darauf verzichtet wurde, in die Geschichte Anspielungen auf frühere Episoden oder, was naheliegend gewesen wäre, Filme wie den “Planet der Affen” einzubauen und stattdessen einen sehr eigenständigen Plot entwickelte. Meinetwegen kann es in den kommenden vier Episoden so weiter gehen…
5 Kommentare
Mir hat die erste Episode auch wahnsinnig gut gefallen. Der Erzähler und die asynchrone wie unorthodoxe Erzählform sind für ein Adventure wirklich ein Meilenstein, der schon viel früher hätte erreicht werden müssen. Das hat soviel Schwung reingebracht, dass man diese Episode eigentlich auch, nachdem man sie startet, überhaupt nicht weglegen mag. Der Lynchesque-Erzähler ist das Sahnehäubchen und ich wünsche mir auch mehr davon. Gutes Beispiel war ja auch grad Alan Wake, welches ungemein davon profitiert, dass Alan sich selbst und seine Taten aus dem Off kommentiert.
Aber zurück zu Sam&Max: ich habe das Spiel testen dürfen für das iPad. Hardwaretechnisch wirklich extrem an der Grenze, was aber darauf zurückzuführen sein mag, dass die Entwickler zum Zeitpunkt des Releases selber noch kein Endgerät hatten, um es zu testen, das gab es bereits zum Launch. Hoffe also, dass das bei Episode 2 besser wird. Aber abgesehen von den technischen Problemen ist das große Touchdisplay des iPads wirklich wie gemacht für Adventures.
[b]Sehr zu empfehlen![/b]
PS: kleine Eigenwerbung: Wer auf meinen Namen unten klickt wird in meinem Blog den ganzen Testbericht finden :D
Mir ist immer noch ein Rätsel, wer auf die blödsinnige Idee gekommen ist, das dieses Pseudo-3D das Adventuregenre voranbringt. Es sieht größtenteils schlecht aus und hat 0 Mehrwert. Deswegen bin ich bei Sam&Max auch nie über S01E01 hinaus gekommen.
Da warte ich lieber auf eventuell noch kommende Lucas Arts remakes.
3D ist ganz einfach einfacher und schneller zu produzieren, als handgezeichnete Pixelgrafiken. It’s as simple as that. Da war nie die Absicht dahinter, es “voran” zu bringen durch 3D.
Davon abgesehen: Sam & Max oder auch Monkey Island von Telltale Games haben den Charme von damals gut eingefangen und sind wirklich liebevoll animiert und auch die Umgebung ist mit viel Liebe zum Detail modelliert. Das ist aber nur grafisch, sowohl inhaltlich als auch von Rätselstruktur und Erzählform ist dieser Teil wirklich überragend.
3D in ADV hat dem Genre einen gewaltigen Atmosphäremalus zugefügt.
Häßliche grobe, sterile und/oder kantige, detailarme Welten stören mich besonders im Adventuresegment.
Denn gerade in diesem Genre kann man es geruhsam und verträumt angehen, sich Zeit nehmen die (zumindest damals) oft wunderschön gestalteten Hintergrundbilder anzuschauen und mit der Welt zu verschmelzen.
Sam & Max werde ich trotzdem eine Chance geben. Erstmal mit der Episode 1 starten, die gibts ja mittlerweile zum Schnäppchenpreis.
Das mag auf viele andere Adventures zutreffen, insbesondere auf 2,5D-Spiele mit vorgerenderten Hintergründen, aber bei Sam & Max möchte ich 3D nicht missen, denn es wird viel mit Perspektiven gespielt, was in 2D nur mit enormen Aufwand möglich wäre. Gelegentlich wird es zwar übertrieben und man verliert ein wenig die Übersicht, aber meistens wirkt es sehr “szenisch”, nur sehr selten wie andere 3rd-Person-3D-Spiele.