Eines der schönsten onomatopoetischen Wörter für mich ist das kleine “Click”. Der Sound, den die Maus beim Auswählen einer Aktion am Computer macht und nachdem wir deshalb die ganze Handlung benannt haben. Der Sound, wenn etwas perfekt seinen Platz findet. Wie ein Puzzle. Obwohl Puzzle eigentlich keine Geräusche machen, weil sie aus Pappe sind. Eine Wirrung, die der Spielehersteller Ravensburger besser nicht hätte deutlich machen können, als er seine Puzzles mit einer “Softclick Technology” genannten Werbeaktion bedacht hat. Die Papp-Steinchen passen hier angeblich besonders schön und befriedigend ineinander und machen deshalb erst recht kein Geräusch… oder ein besonders befriedigendes nicht vorhandenes, je nachdem wie tief man im Werbe-Lifestyle steckt.
Auch unter den Videospielen, wo gemeinhin ja viel geklickt wird, gibt es sie, die Puzzle. Damit meine ich nicht Umsetzungen von analogen 1000-Teile-Puzzles wie diese Hentaispielchen, die man in Deutschland nicht bekommt, bei denen man Stück für Stück ein Animemädchen zusammensetzt, das man hinterher beschlafen darf. Ich rede von Spielen, die eigentlich nicht aussehen wie Puzzles, sich aber nach vierzehn Stunden Hyperfokus in immer wieder unterbrochenen Sessionsin der Rückschau betrachtet anfühlen, als hätte man die halbe Nacht gepuzzelt. Ich rede speziell von Spielen, die von außen – oder eher von oben – aussehen wie Strategiespiele, aber die feste Lösungen vorgegebener, endlicher Kartenszenarien verlangen, sodass sie nicht in das Strategie-Gefüge von Schönbau bis Tank Rush passen.
Und selbst in dieser – manche würden sagen, von mir grade willkürlich erfundenen – Genre-Mischung aus Puzzle-Strategie-Hybriden variiert der Anspruch ans perfekte Fügen von Teilchen in Teilchen noch massiv. Auf der einen Seite stehen Wusel-Aufbautitel wie das kürzlich remasterte Pharao: A New Era, das mich schlicht mit einem jeweils neuen, schwierigeren, in Zahlen ausgedrückten Ziel und einem begrenzten Katalog an verfügbaren Gebäuden auf abgegrenzte Karten wirft. Unterhalte 200 Arbeiter und baue einen Tempel. Errichte 1000 Häuser und halte die Bewohner nur mit Nilfarmen am Leben, bis dich Osiris segnet. Solche Kategorien. Ich bin frei darin, zu machen was ich will, Hauptsache am Ende kommt die gewünschte Lösung dabei heraus, bevor ich pleite bin.
Auf der anderen Seite der Skala sitzt so etwas wie Into The Breach, wo jede Bewegung, jeder Click essentiell ist und ich mich sehr schnell ins Aus oder zumindest aus einer befriedigenden Lösung in eine sehr viel unbefriedigendere hinein manövriere.
Und irgendwo in der Mitte dieser Skala von weich bis hart, von Mensch Ärgere dich nicht! bis Schach, liegt Terra Nil. Das Spiel, das mich eigentlich zu diesem Text bewogen hat.
Viel Vorstellung bedarf dieser Titel vermutlich nicht mehr. Der “Reverse Citybuilder” beauftragt mich damit, mit klassischen Aufbau-Mitteln eine sehr ungewöhnliche Prämisse zu bespielen: Räum die Erde auf, die die Menschheit zuvor zerstört hat, bring Pflanzen- und Tierleben zurück in eine toxische, ausgetrocknete Welt und verzieh dich dann ins Weltall, um den blauen Planeten wieder sich selbst zu überlassen. Auf vier Karten mit je zwei Variationen bleibt das Ziel stets das gleiche, doch die Mittel ändern sich. Mal habe ich Zugriff auf Windenergie und jede Menge Platz zum Pflanzen und Bauen, kann jedoch, wenn ich am Ende all meine Gebäude recyclen soll, nur über die Wasserwege an Recyclingsilos kommen, um das Rohmaterial abzutransportieren. Ich muss also von vornherein planen, wie ich meine Gebäude setze, oder im Nachhinein durch schweres Gerät neue Flüsse graben und damit wieder Verschmutzung ins Okösystem einbringen. Mal habe ich kaum Land, sondern nur untergegangene Wolkenkratzer als Basis, darf aber mit Tiefseebaggern neues Land aufschütten und mir durch die so geschaffenen Tiefseegräben sogar den Standort meiner späteren Gezeitenkraftwerke selbst aussuchen.
Innerhalb jeder Karte sind also die Ziele klar definiert und nur auf zwei, drei bestimmte Weisen zu erreichen, die Methoden dahinter aber so flexibel, dass ich mit dem Bauen beginnen kann, wie ich möchte – und selbst bei Fehlern noch nachkorrigieren darf, sofern ich intelligent recycle und meine Fehler damit wieder in Währung umwandle. Das wird spätestens im jeweils letzten Levelabschnitt sichtbar, wo ich Fauna zurück in die Landschaft einbringe. Diese braucht jeweils die richtige Umgebung in einem engen Bereich. Pinguine brauchen Eisschollen, es muss aber auch noch Ozean offen liegen, um zu fischen – klar. Wölfe brauchen Wald und Wild, das wiederum eine Wiese zum grasen braucht – das richtige Verhältnis von offener Weide und Unterholz muss also angelegt werden. Bären leben nur in Höhenlagen, die bewaldet sind und Honigbienen beheimaten. Wenn meine Karte nur drei Hügel bietet, muss ich diese also für Bären reservieren – meine Optionen für den Rest der Karte schrumpfen, doch gleichzeitig schaffe ich mir um die Hügel herum neue Möglichkeiten, denn die Bienen bestäuben niedriges Gebüsch, das ich wiederum anzünden kann, um fruchtbare Asche zu produzieren – und zwar ohne den Wald zu verlieren, der oben auf dem Hügel vom Feuer verschont bleibt. Klingt komplex, ergibt sich aber im Spielverlauf von Terra Nil immer wieder aus sich selbst heraus und sehr logisch. Anders gesagt: ich werde sehr bewusst geleitet, was ich wohin setzen soll, manchmal auch durch Scheitern und Neuversuchen – aber es fühlt sich nie an, als hätte ich keine Wahl gehabt. Dafür sorgt auch das Screenshottool, mit dem ich meine fertige Karte am Ende aufnehmen und als Bild teilen kann. Denn sie wird nie so aussehen wie die gleiche Karte von anderen Spieler*innen. Und das alles nur, weil ich mit wenigen Clicks eine ganz eigene Idee davon erschaffen habe, wie mein Ökosystem ineinander greifen soll.
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