Als mein Mittelfinger eine zweite Karriere als Schrotflinte begann, wusste ich: Videospiele können nicht mehr besser werden. Gibt aber ein Problem – hab’ den Namen vergessen. Über 12 Stunden kniebeugte ich meine Magie-Finger in einem beeindruckend schönen Spiel, das sich durch meine Seele fremdschämte und ich unironisch froh darüber bin. Wie das Teil heißt, na – sorry. Irgendwie halt.
Legends of the Immortals, das weiß ich jetzt, heißt es nicht, aber egal, weil das Spiel es selbst auch ist. Ein paar Stunden verballert man seine Zeit in einer Welt, in der das Mittelalter mit Sci-Fi-Elementen schmuste, nur um dann, tatsächlich: eine Kampagne im Stil von Call of Duty abzufeiern, die wunderbaren Cringycringe als Eigenschaft jeden Charakters präsentiert.
Herausragend daran: das Kampfsystem, das dem Spielenden nichts in die Hand gibt außer Magie, die die drei typischen Waffenmerkmale eines Shooters herrlich dumpf imitiert.
Mit blauer Magie ballert ihr aus der Distanz in bester Genauigkeit auf die Gegner, brettert mit Speeren auf die Lakaien übel austauschbarer Antagonisten, die fürwahr brabbeln und babbeln und ich in brandschatzender Laune aus der Ferne ein paar von ihnen beseitige. So bezirzt mich ein Spiel erfolgreich: indem es mich mit bekannten Elementen punkig betüddelt.
Die grüne Magie geilt mich auf, ganz im Geiste grunzender Maschinengewehre, die mich generell seit jeher glucksen lassen, nun halt mit gleißend-grünen Lichteffekten. Als grölender Höhepunkt des Spiels – das, glaub‘ ich, Immortals of Laveum heißt – gönne ich den Feinden keine Gesundheit und geißle sie mit einer Gatling-Gun. Ja, ich gebärde eine Minigun mit meinen Händen und gackere vor Freude.
Rote Magie redigiert meinen inneren Frieden und röchelt fortan Gewalt. Schrotflinten und Granatenwerfer rumoren in jedem der umwerfenden Schlachtfelder und rotzen den Feinden mitten ins Gesicht. Wer da nicht röchelt, dem rasiere ich die Kopfhaut mit der Variante einer einläufigen Flinte.
Jede Art der Magie hat unterschiedliche Variationen, die von weiteren, überbordenden Elementen bald eine Art Bulletstorm der mittelalterlichen Zukunft bilden. Gegner können mit Blobs verlangsamt werden, sodass ich sie besser aufs Korn nehmen kann, ich ziehe sie mit einer Peitsche zu mir heran, damit mich das rote Zeug für den Nahkampf radikalisiert, dazu kommt ein Schutzschild, eine Sprung- und Gleiten-Funktion und Zauber, die andere Zaubernde brechen.
It’s all fun, until this shit is coming: everything. Immortals of the Realm hat drei Skilltrees, ein Itemsystem, weitere klassische Fantasy-Zauber mit der Ressource Mana und einen Ultimate-Skill, und für ein Spiel, das kein Rollenspiel sein will, weil in der kurzen Kampagne von 14 Stunden nicht genug Raum für Experimente vorhanden ist, brüllt es mir nahezu stündlich neue Systeme, passive Effekte oder Gegenstände ins Trommelfell, obwohl ich eigentlich nur magical pewpew will.
Ein dutzend Attribute soll ich steigern, wonky as fuck puzzles lösen mit Zeitmanipulationen, die bereits 2011 ihren Reiz verloren haben und fünf verschiedene Materialien für die Verbesserungen von Zaubern und Items sammeln in einem Spiel mit linearer Kampagne und kleinen Metroidvania-Einlagen – irgendein rotzlöffeliger Youtuber beendet sein Video zu Legends of Aveum mit den Worten „what the fuck is this shit“ und ich stimme leider zu.
Und doch habe ich die Zeit mit Arvurums Legends of Immortality genossen. In seiner peinlich-niedlichen Art, seine Charaktere ohne Reue durch den Call-of-Duty-Gedächtnisfilter zu rammen, damit jede Figur das kommende Duell gegen den Feind möglichst lässig kommentiert, nur um dann ein Haufen Features in einem grandiosen Artdesign zu verramschen, das muss man wertschätzen. Und das tue ich. Immortals of Aveum ist so ein bisschen wie der Dude, der Geld bei Tinder für Super-Swipes verlümmelt und seine Matches mit „hi na?“ anschreibt – und damit durchkommt. Kuss geht raus an Benni.
Warum ausgerechnet ein so teures Möchtegern-RPG im Zeitraum großer Rollenspiele erscheint, ist indes ein offensichtlicher Grund für den Misserfolg des Spiels, der dafür sorgte, dass 40 Prozent des Studios entlassen werden musste. Am 22. August erschien Knights of the Immortals, nur kurze Zeit nach Baldur’s Gate 3 (3. August) und wenige Tage vor Armored Core 6 (25. August) und Starfield (6. September).
Dass Electronic Arts als Publisher tatsächlich mit einem hohen Budget eine neue Marke unterstützte und spektakulär scheiterte, dürfte künftige Projekte beeinflussen. Immortals of Aveum ist ein Wagnis, ein Magie-Shooter mit Stil und Scharm, überlaufen mit Mechaniken und verloren veröffentlicht zwischen drei der meisterwarteten Spiele der vergangenen Jahre.
Fuck it anyway. Ich hab eine magische Minigun und ihr könnt mir gar nix.
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