Mit günstig erworbenen Waren im prall gefüllten Frachtraum von Planet zu Planet reisen und Profite galaktischen Ausmaßes einstreichen? Hört sich gut an. Sich gegen marodierende Weltraum-Banden zur Wehr setzen, die durch den Gebrauch von Waffen auf eine Beteiligung am Gewinn, in Höhe von einhundert Prozent, hoffen? Hört sich ebenfalls gut an. Und es hört sich verdammt nach Elite an. Space Trader überrascht jedoch dadurch, daß es die bewährte Rezeptur einer (Weltraum-)Handelssimulation mit einer Arena-Shooter-Einlage a la “Quake” auffrischt. Wenn also das räuberische Ministry of Accounts bei einer Kontrolle sein Schiff aufgreift und der Weiterreise die Zahlung horrender Steuerabgaben in den Weg stellt, ficht man den Konflikt nicht mit den Bord-Lasern im luftleeren Äther aus, sondern nimmt die ungeliebten Finanz-Beamten einzeln auf’s Korn. Und jagt ihnen auf altbewährte Art und Weise ein Projektil aus Blei zwischen die Augen.
Überraschend ist auch, wie abgrundtief häßlich Space Trader aussieht. Man möchte meinen, ein Independent-Entwickler hätte wohl irgendwie auf den Gedanken kommen können, daß man mit einer Hand voll Designer und Programmierer kein zweites “Crysis” erschaffen, kein realistisch wirkendes Spiel gestalten kann. Das Ergebnis dieser Fehleinschätzung sind langweilig graue, verwaschene, schlecht ausgerichtete Texturen in großen, aus einfachen geometrischen Formen bestehenden, Räumen und nur etwa ein Dutzend verschiedene unbewegliche Character-Models. Graphisch kann es gerade mal mit “Quake II” konkurrieren, dessen betagte Engine auch heute noch Spiele hervorbringt, die mit einem durchdachten, einzigartigen Look aufwarten. Den Beweis dafür hat jüngst gerade erst die Total Conversion Gravity Bone angetreten. Daß Space Trader auch eine andere Entwicklung hätte nehmen können, zeigt das Cover der Mac-Version, das zwar nicht so eine starke Bildsprache wie “Team Fortress 2” oder “XIII” aufweist, dessen Umsetzung aber mit Sicherheit besser als das jetzige Spiel ausgesehen hätte.
So wie anscheinend niemand mit einem Sinn für Ästhetik bei “Hermitworks” arbeitete, mußte das Unternehmen wohl leider ohne die Zusammenarbeit mit einem guten Dialog- und Story-Autor auskommen. Daß die Nicht-Spieler-Charaktere, die teilweise sogar phantasielose Namen wie “Lieutenant Dan” oder “XK-CD” (wie der Web-Comic) tragen, nicht besonders viel Erbauliches vortragen, stört mich weniger, denn Space Trader würde sich auch ohne Schnickschnack wie eine Hintergrundgeschichte, Erfahrungspunkte, Schiffs- und Waffen-Upgrades oder Inventar-Verwaltung ganz gut machen. Die Stärken des Spiels liegen eindeutig im Handel von Gütern, was sich jedoch recht einfach gestaltet und wenig Herausforderung bietet, da man fast überall alles kaufen und verkaufen kann und die Kurse häufig und stark flukturieren, und der Kopfgeldjagd, bei der man auf einer Hand voll unterschiedlicher Karten gegen einen Bösewicht und seine Schergen antritt.
Tragisch ist, daß an den Stellen während der Kampagne, an denen man mit einer Hintergrundgeschichte und Quests, die man nicht ablehnen kann, in Kontakt kommt, die Texte besonders einfallslos und so unklar formuliert sind, sodaß man erstens keine Lust hat, die Aufträge zu erfüllen und es zweitens passieren kann, daß man überhaupt nicht versteht, was man eigentlich genau erledigen soll. Dabei existieren jedoch einige wenige optionale Quests, die einem auch noch einen Vorteil beim Handel verschaffen. Zum Beispiel wird man zu Beginn von Mitarbeitern eines Wasserwerks dazu eingeladen, ihnen Rohstoffe zu besorgen, mit denen sie das Wasser vergiften können. Zuvor deckt man sich natürlich mit so viel gereinigtem Wasser, wie möglich, ein und profitiert davon, daß der Preis nach diesem Anschlag in ungeahnte Höhen schießen wird. Oder man verrät die Zwei an das MoA und sackt eine kleine Belohnung ein. Schade, daß es nicht viele derartige Momente gibt, mehr aufgefeilte Quests, Figuren und Geschichten hätten dem Spiel äußerst gut gestanden.
Die ganzen kleinen Verfehlungen, die sich Space Trader leistet, sind schon ärgerlich. Ich glaube, mit einem effizienteren Einsatz der vorhandenen Resourcen und hätten sich die Entwickler mehr Zeit zum Testen und Herauspolieren der letzten Macken und Kratzer genommen, wäre Space Trader ein richtig solides, rundes Spiel geworden. Allerdings, vielleicht verbirgt sich unter dieser unförmigen rauhen Schale doch noch eine Perle, und zwar in Form des kooperativen Mutiplayer-Modus, den ich mangels Mitspielern nicht ausprobieren konnte. Möglicherweise kann man zu zweit die Lücken füllen, die die Entwickler offen gelassen haben: Sich gegenseitig Tips für ein gutes Geschäft geben (oder wahlweise andere mit falschen Informationen ins Bockshorn jagen), Erlebnisse von Shoot-Outs mit Verbrecher-Bossen teilen oder gemeinsam durchleben, oder um den Highscore und die größten Gewinnmargen kämpfen.
Wer das Wagnis eingehen will, mit mir zusammen zu spielen, darf sich gern bei mir melden. Die Hürden davor dürften nicht all zu groß sein: Der Preis ist heiß, das Spiel verschlingt kaum Resourcen (es läuft sogar auf einem Macbook) und es ist leicht zu erlernen.
3 Kommentare
Habe letztens bei Steam gesehen, dass du Space Trader spielst und wollte mir bereits eine Meinung erbitten. Hm, ich glaube, ich werde das Spiel mal kaufen…
Daß mir nachher aber keine Klagen kommen. ;)
Der Krug geht zum Brunnen…