Meine Fresse, sahen die Trailer zu Ghostrunner gut aus! Als Cyberpunk-Ninja in Ego-Perspektive blitzschnell durch die Umgebung parkouren (gibt’s das Wort?) und Gegner blutig mit dem Schwert in Scheiben schneiden – Wow! Aber immer klingelte mein Spinnensinn leise im Hintergrund, weil ich auf diese Mechanik schon einmal reingefallen bin: Mirror‘s Edge. Das sah auch total super aus, aber spielte sich wie Arsch.
Egal. Ein paar Stunden später war ich 30 € ärmer, schon einige hundert Mal gestorben und um die Erkenntnis reicher, dass akrobatische Plattform-Action aus der Egoperspektive immer noch nicht funktioniert. Vielleicht nie, aber zumindest nicht so, wie das polnische Studio One More Level es angeht. Oft wird Ghostrunner als eine Mischung aus Mirror’s Edge und Hotline Miami beschrieben. Passt eigentlich ganz gut. Ich mag beide Titel nicht. Aber für mich ist Ghostrunner eher eine Art Super Meat Boy aus der Ich-Perspektive.
Im Wesentlichen besteht das Spiel aus zwei Arten von Abschnitten: Die Kampfarenen und den Verbindungswegen dazwischen. Letztere gehen erstaunlich gut von der Hand, weil die Parkour-Mechanik und deren Steuerung (Maus & Tastatur) hier ganz gut funktioniert und sich nicht selbst im Wege stehen. Hinzu kommen der schicke Düster-Neon-Look und der überaus gelungene Elektro-Industrial-Soundtrack. Hier ist Ghostrunner deutlich besser gelungen als mein alter Erzfeind Mirror’s Edge, weil auf den Open-World-Ansatz verzichtet wird und man eigentlich immer weiß, wo’s als nächstes lang geht. Die Kampfarenen sind hingegen ein echter Schmerz im Hintern. Ich versuche mal an einem Beispiel zu erklären, woran das liegt:
Man kommt in eine große Fabrikhalle. Darin verteilt stehen einige Gegner, alle an ihrem festen Platz. Die Gegner bewegen sich maximal ein paar Schritte von ihrer Position wenn sie angegriffen werden, aber man wird nicht offensiv von ihnen angegriffen, verfolgt oder dergleichen. Dafür haben sie aber unglaubliche Zielkünste, sobald man in ihre Reichweite kommt. Ein Treffer und man ist tot. Dann beginnt der Abschnitt komplett von neuem. Hinzu kommt, dass Gegner oft von Kraftfeldern geschützt werden, die man zuerst ausschalten muss. Die ganze Arena ist ein starrer Aufbau, bei dem es in erster Linie herauszufinden gilt, wie man ihn in der richtigen Reihenfolge löst. Erst wenn alle Gegner erledigt wurden, geht es weiter.
Das hört sich jetzt eigentlich noch gar nicht so schlimm an. Viele 2D- und 3rd-Person-3D-Spiele funktionieren so. Das eigentliche Problem ist dabei das Movement aus der Egoperspektive und die hohe Geschwindigkeit, mit der das alles abläuft. Man stirbt nicht nur viele Tode beim Erkunden der neuen Arena, sondern auch nachdem man eigentlich schon weiß, wie’s gehen soll. Das liegt daran, dass aufgrund des Movements kein Run auf die Zentelsekunde genau so abläuft wie der davor. Kommt man eine halbe Sekunde später bei dem Gegner an, den man gerade noch souverän durch geschicktes Circle-Strafing erledigt hat, hat man plötzlich die Kugel eines anderen Gegners im Rücken, die einen vorher noch verfehlte. Und das Schlimmste daran ist, dass man nicht einmal eine Kill-Cam hat, die einem anschließend zeigt, wo das Problem lag, was man falsch gemacht hat, warum man überhaupt gestorben ist. Aus der Egoperspektive sieht man halt nicht, wer einem in den Rücken geschossen hat…
Ghostrunner ist nicht unschaffbar schwer. Früher oder später hat man Glück und das Timing geht auf. Manchmal kostet es nur 4 Tode, manchmal 40, an einigen Stellen sogar mehr, weil die Abschnitte in ihrer Struktur auch qualitativ sehr schwanken. Selbstverständlich hat das Gameplay von Ghostrunner auch etwas mit dem Können und der Reaktionsfähigkeit des Spielers zu tun, aber die gehörige Portion Glück bzw. Zufall, die immer mit dabei ist, gepaart mit seiner Gnadenlosigkeit, was Fehler angeht, macht es für mich insgesamt zu einem sehr ärgerlichen und frustigen Spiel.
Ach, habe ich schon die Boss-Level erwähnt? Nein? Nun, die sind so richtig scheiße! Wer bis zum ersten Boss noch guter Dinge war, wird spätestens hier an seine Frustrationsgrenze geführt. Aber wie gesagt, Ghostrunner ist nicht unschaffbar. Irgendwann hat man auch den Boss erledigt. Wie viele Mäuse und Tastaturen man bis dahin schon aus Wut zertrümmert hat, ist sicherlich eine sehr individuelle Geschichte…
Ich spiele es zwar immer noch weiter (immer nur in kleinen Dosen, des Blutdrucks wegen), aber eigentlich ärgere ich mich sehr über den Kauf. In erster Linie, weil ich es hätte besser wissen müssen. Immerhin bin ich nun um eine Erkenntnis reicher: Seit Mirror’s Edge hat sich eigentlich nichts geändert – schnelle Parkour-Plattform-Action aus der Egoperspektive sieht immer noch schweine-geil aus, wenn man zuguckt, aber spielt sich immer noch wie Arsch.
10 Kommentare
505 Games und One More Level haben just heute bekanntgegeben, dass Ghostrunner 2 in Arbeit ist.
Daraus folgere ich mal, dass nicht alle Leute Ghostrunner so doof finden wie ich…
Ich schon!
Ich sage es mal so: Mirror’s Edge hat auch einen zweiten Teil bekommen …
… und der war auch nicht besser als der Erste.
ich finds ganz interessant. als ich beim ersten mirrors edge erstmal raushatte, wie es geht, machte das kombinieren schon bock. jetzt nicht spider man bock, aber eben bock. hab mich immer gefragt, warum man nicht mal ein ego action sportspiel macht, so fifa street mässig…
“hab mich immer gefragt, warum man nicht mal ein ego action sportspiel macht, so fifa street mässig…”
Puh, das stelle ich mir sehr schwer in der Umsetzung vor. Da könnte ich mir am ehesten vorstellen, dass man sowas in VR wirklich spielbar hinbekommt.
Sowas wie Deatball oder Bombing Run in UT?
https://www.youtube.com/watch?v=zSm97YUZgSI
Sowas wie Dodgeball VR!
https://youtu.be/L7m7zIYRMJ4
Ja, in der Form (UT BR habe ich damals sehr gerne gespielt!) ist das vorstellbar, aber da machst du ja auch nicht wirklich etwas mit den Armen oder Beinen. Ich hatte Kachelofen eher so verstanden, dass er sich z.B. ein “echtes” Fußballspiel wünscht, bei dem nicht automatisch der Ball am Spieler klebt, sondern man richtig mit den Füssen spielt…
Es gab ja (2006 auf der Games Convention) schon so absurde Ball Controller, womit man versuchte die Sportspiele (zumindest FIFA/PES) etwas realistischer (als Knöpfchen drücken = Pass spielen) zu gestalten. Auf der anderen Seite Park-Uhr-t man in Mirror’s Edge ja auch nicht tatsächlich im Wohnzimmer, so dass ich das jetzt mehr auf die (Ego-)Perspektive bezogen verstanden habe.